Die Bruderschaft der Runen
mit einschließen. Allerdings frage ich mich, weshalb Sie zu mir gekommen sind. Inspector Dellard scheint mir in diesem Fall der geeignetere …«
»Bei Inspector Dellard sind wir schon gewesen«, ergriff Quentin ungefragt das Wort, weil er das Gefühl hatte, seinem Onkel irgendwie helfen zu müssen. Dabei wunderte er sich über seine eigene Keckheit.
»Er hat uns eine abstruse Geschichte aufgetischt, der zufolge aufständische Bauern aus den Highlands für die Anschläge verantwortlich sein sollen«, fügte Sir Walter erklärend hinzu.
»Und das glauben Sie ihm nicht?«
»Es ergibt keinen Sinn. Dellard hat sowohl Quentins Aussage als auch meine Beobachtungen in den Wind geschlagen und verfolgt unbeirrt seine eigene Theorie.«
»Sie spielen auf die Sache mit der Rune an …«
»Ja, werter Abt. Dies sind die Antworten, nach denen wir suchen.«
»Bei mir?«
»Ja, Hochwürden. Offen gestanden hatten wir gehofft, dass Sie uns ein wenig mehr darüber sagen könnten als bei unserem letzten Besuch.«
»Ich habe Ihnen alles mitgeteilt, was ich darüber weiß. Aber ich sagte Ihnen auch, dass es Unheil heraufbeschwören würde, sich zu sehr mit diesen Dingen zu beschäftigen. Schon wenig später mussten Sie erfahren, wie Recht ich hatte. Also hören Sie diesmal auf meinen Rat, Sir Walter. Er kommt aus einem Herzen, das Ihnen und Ihrer Familie sehr zugeneigt ist.«
»Daran zweifle ich nicht, und Sie wissen, dass auch ich dem Kloster stets in Freundschaft verbunden war. Aber es sind keine guten Ratschläge, die ich brauche, sondern Antworten. Ich muss wissen, was es mit dieser Rune auf sich hat. Dellard glaubt nicht daran, aber ich bin überzeugt davon, dass das Zeichen und diese bedrohlichen Zwischenfälle in einem Zusammenhang stehen.«
»Was macht Sie so sicher?« In der Stimme des Ordensmannes machte sich eine leichte Veränderung bemerkbar. Sie klang nicht mehr ganz so ruhig und wohlwollend, was Quentin als wachsende Anspannung deutete.
»Ich bin mir keineswegs sicher, werter Abt. Mein Neffe und ich irren durch ein Labyrinth zusammenhangloser Anhaltspunkte und suchen nach fehlenden Verbindungen. Wir hatten gehofft, dass Sie uns dabei weiterhelfen können, denn offen gestanden …«
»Ja?«
»… hatte ich den Eindruck, dass Sie ein wenig mehr wissen, als Sie uns verraten wollten«, gestand Sir Walter in seiner offenen Art. »Ich weiß, dass Sie nicht in böser Absicht geschwiegen haben, sondern weil Sie uns nicht beunruhigen wollten. Nun jedoch wäre es wichtig, alles zu erfahren. Es ist leichter, sich auf eine Gefahr vorzubereiten, wenn man weiß, von welcher Seite sie droht.«
»Das haben Sie bemerkt?« Der Abt hob erstaunt die Brauen.
»Mein Beruf bringt es mit sich, Veränderungen in Mimik und Gestik deuten zu lernen. Ich bilde mir ein, mir in der hohen Kunst der Beobachtung einige Fähigkeiten angeeignet zu haben, und in Ihrem Fall, Hochwürden, war es mir offensichtlich, dass Sie uns nicht alles über die Schwertrune gesagt haben.«
Der Vorsteher des Ordens blickte zuerst Sir Walter, dann seinen Neffen an. Er brauchte einige Atemzüge, um seine Überraschung zu überwinden. Dann sagte er: »Zu verschweigen und zu verheimlichen ist nicht Sache eines Ordensmannes. Zwar gibt es kein Gelübde, das uns zur Wahrheit verpflichtet, jedoch hat uns der Herr stets dazu aufgerufen, einander ehrliches Zeugnis zu geben. Deshalb will ich nicht leugnen, dass Sie Recht haben, Sir Walter. Ich kenne das Zeichen, das Sie mir gezeigt haben, und ich habe es schon früher gesehen.«
»Weshalb haben Sie uns das nicht gesagt?«
»Weil ich nicht möchte, dass Ihnen oder Ihrem Neffen etwas zustößt. Jene Rune, Sir Walter, gehört dem Reich des Bösen an. Sie stammt aus heidnischer Zeit, und noch niemals hat sie den Menschen etwas Gutes gebracht. Damit, fürchte ich, müssen Sie sich zufrieden geben, denn mehr kann – und darf – ich Ihnen nicht sagen.«
»Es tut mir Leid, Abt Andrew, aber damit kann ich mich keineswegs zufrieden geben. Ich habe Grund zu der Annahme, dass diese Rune und der Überfall an der Brücke in einem Zusammenhang stehen. Ich muss herausfinden, was es damit auf sich hat.«
»Inspector Dellard scheint diesen Zusammenhang nicht zu vermuten.«
»Nein«, bestätigte Sir Walter verdrießlich. »Er ist überzeugt, dass die Rune nichts mit den Dingen zu tun hat, die geschehen sind.«
»Weshalb geben Sie sich dann nicht auch damit zufrieden? In meinen Augen ist der Inspector ein umsichtiger und
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