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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Kumpan!«
    »Gnade, Herr!«, flehte eine vertraute Stimme – sie gehörte Mortimer, dem ergrauten Verwalter von Abbotsford. »Bitte, schießen Sie nicht auf mich!«
    »Mortimer!« Verblüfft ließ Sir Walter die Waffe sinken.
    Keuchend stürzte der Verwalter aus dem Wald. Sein Atem ging dabei so heftig, dass er kaum sprechen konnte. »Bitte, Sire«, presste er stoßweise hervor. »Strafen Sie mich nicht für meine Nachlässigkeit … Ich habe die Knechte nach Ihren Angaben aufgestellt … ihnen aufgetragen, die Augen offen zu halten … Aber es waren zu viele Angreifer, und … die Knechte sind geflohen, als sie die grässlichen Gesichter sahen.« Die Züge des alten Verwalters nahmen einen verzweifelten Ausdruck an. »Es waren Dämonen, Sire«, flüstert er, »ich schwöre es.«
    »Mein armer Mortimer.« Sir Walter reichte seine Muskete an Quentin weiter und schloss den Verwalter, dem das Entsetzen noch ins Gesicht geschrieben stand, in seine Arme. »Ich bin sicher, du hast dein Bestes gegeben. Aber du darfst mir glauben, dass diese Mordbuben keine Dämonen waren. Andernfalls hätte unser tapferer Quentin ihnen wohl kaum mit einer Bleikugel beikommen können.«
    Er deutete auf den Banditen, der leblos auf dem Boden lag, woraufhin sich der gute Mortimer ein wenig zu beruhigen schien. Vorsichtig näherte er sich dem Vermummten und betrachtete ihn, stieß ihn sachte mit dem Fuß an. Der Mann regte sich nicht mehr.
    »Wir müssen zurück ins Haus und die Frauen beruhigen«, entschied Sir Walter. »Anschließend werden wir am Tor Posten beziehen. Sollten diese Kerle sich entschließen, noch einmal in dieser Nacht zurückzukehren, werden wir ihnen einen gebührenden Empfang bereiten. Allerdings denke ich, dass sie fürs Erste genug haben, schließlich hat einer von ihnen den Überfall mit dem Leben bez…«
    »Sire! Sire!«
    Der Schrei kam vom Haus. Eine der Dienerinnen hatte ihn ausgestoßen, die mit kreidebleicher Miene in der offenen Tür stand. »Kommen Sie, schnell! Im Frühstückszimmer …!«
    Sir Walter und sein Neffe wechselten einen erschrockenen Blick, dann eilten sie zurück zum Haus. Obgleich er die beiden Musketen trug, war Quentin schneller als sein Onkel, der mit seinem alten Gebrechen zu kämpfen hatte. Er überholte ihn und rannte ins Haus, passierte die Halle und den Korridor. Von dessen Ende aus konnte er bereits das orangerote Flackern erkennen.
    Feuer!, schoss es ihm durch den Kopf, und er hastete weiter zum Frühstückszimmer. Jenseits des breiten Fensters, auf der anderen Seite des Flusses, loderte eine grelle Feuersbrunst, die jemand auf der Uferbank entfacht hatte. Für einen Moment war Quentin erleichtert, dass es nicht das Haus selbst war, das in Flammen stand. Dann aber sah er die vermummten Gestalten, die auf ihren Pferden um das lodernde Feuer ritten. Unter grellem Geschrei schwangen sie ihre Fackeln und sprengten davon.
    Quentin blieb am Fenster stehen und starrte entsetzt auf das Feuer, das zugleich eine Botschaft war. Mit Petroleum hatten die Banditen ein mehrere Yards großes Muster ins Gras gegossen, das jetzt grell und lodernd die Nacht erhellte.
    Quentin erkannte es sofort.
    Es war ein Zeichen.
    Eine Sichel, durchkreuzt von einer geraden Linie … die Schwertrune, die er in der Bibliothek entdeckt hatte, kurz bevor sie in Flammen aufgegangen war.
    Sir Walter, der atemlos neben ihm angelangte, sah es ebenfalls, und Quentin konnte fühlen, dass auch den Herrn von Abbotsford ein Schaudern befiel. Das brennende Zeichen belegte den Verdacht, den Sir Walter schon die ganze Zeit über gehegt hatte – dass die grausamen Vorfälle in Kelso und die Schwertrune in einem Zusammenhang standen.
    Nun konnte es niemand mehr leugnen. Zu hell war das Feuer, das dort auf der anderen Seite des Flusses brannte und weithin zu sehen war.
    Und so waren Sir Walter und sein Neffe nicht die Einzigen, die es in dieser Nacht erblickten. Auch die geheimnisvollen Gestalten, die sich unten am Flussufer zwischen den Bäumen versteckten, sahen es – Gestalten, die die schlichten Kutten eines Mönchsordens trugen.

 

Zweites Buch

    Am Kreis der Steine
     

 

1.
    D as Erwachen war seltsam.
    Als Mary of Egton die Augen aufschlug, wusste sie für einen Augenblick nicht, wo sie war. Erstaunt blickte sie sich in dem Gemach um, dessen Wände aus kaltem, abweisendem Stein gemauert waren. Die hohe Decke war mit dunklem, fast schwarzem Holz getäfelt, die Wände mit Teppichen behangen, deren Stickereien

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