Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
Junge?«
    »Nicht vor den Geschichten selbst. Aber einige der Gestalten, die darin vorkamen, suchen mich heute noch in meinen Träumen heim. Einmal erzählte uns der alte Max von einem jungen Clansmann aus den Highlands, der seine Familie verraten hatte. Daraufhin traf ihn der Fluch eines alten Druiden. Fortan verwandelte sich der Krieger in jeder Vollmondnacht in eine Bestie halb Mensch, halb Wolf.«
    »Die Werwolfslegende.« Sir Walter nickte. »Gut, um Kinder zu erschrecken, nicht wahr? Und gutgläubige Studenten, die ihren armen Onkel von der Arbeit abhalten wollen.«
    Quentin musste lächeln. »Wäre das nicht Stoff für einen neuen Roman, Onkel? Die Geschichte eines Clansmannes, den ein Fluch trifft, worauf er sich in einen Werwolf verwandelt?«
    »Nein, danke«, wehrte Sir Walter ab. »Ich bleibe bei meinen tapferen Helden und schönen Damen, bei romantischer Liebe und wackerem Streit. Was ich mit den Worten des Dichters beschreibe, ist die Vergangenheit, die meisten meiner Figuren haben wirklich gelebt. Wer sollte denn irgendwelche erfundenen Geschichten über solch ein Monstrum lesen wollen? Manchmal hast du wirklich verrückte Ideen, mein Junge.«
    »Verzeih, es war nur ein törichter Gedanke.« Quentin kehrte an den Tisch zurück und nahm seinem Onkel gegenüber Platz.
    Sir Walter schrieb weiter und tauchte seine Feder regelmäßig ins Tintenfass. Nach einer Weile hob er den Blick und schaute Quentin über die Gläser der Brille an, die er beim Schreiben stets auf der Nase hatte; die ständige Arbeit bei Kerzenschein hatte seine Augen schlechter werden lassen.
    »Was bedrückt dich, mein Sohn?«, wollte der Schriftsteller wissen.
    »Nichts«, behauptete Quentin steif.
    »Es hat nicht zufällig etwas mit einer jungen Dame namens Mary of Egton zu tun, die uns vor einer Woche verlassen hat?«
    Quentin errötete. »Du hast es bemerkt?«, fragte er zaghaft.
    »Ich müsste mit Blindheit geschlagen sein, hätte ich es nicht bemerkt. Wie du weißt, mein lieber Junge, gehört meine Beobachtungsgabe zu den Fähigkeiten, auf die ich mir am meisten einbilde. Ich habe sehr wohl mitbekommen, wie du die Lady of Egton angesehen hast, und ich muss dir gratulieren zu deinem erlesenen Geschmack. Ich habe selten ein anmutigeres Frauenzimmer gesehen, noch dazu mit einem so freundlichen Wesen.«
    »Nicht wahr?«, meinte Quentin.
    »Und gleichzeitig, mein lieber Junge, muss ich dir alle Hoffnung nehmen. Denn was du ersehnst, wird niemals Wirklichkeit werden. Lady Mary ist von Adel, und du bist es nicht. Sie ist Engländerin, und du bist Schotte. In einer besseren Welt sollten diese Dinge keine Rolle spielen, aber in der unseren sind es unüberbrückbare Gegensätze. Lady Mary ist dem Laird von Ruthven versprochen, den sie in wenigen Wochen heiraten wird.«
    »Ich weiß«, sagte Quentin nur und sah ziemlich elend dabei aus. »Aber das allein ist es nicht. Ich habe viel nachgedacht in den letzten Tagen. Über die Vorfälle in der Bibliothek und das, was am Fluss geschehen ist. Und auch über das, was Inspector Dellard und Abt Andrew gesagt haben.«
    »Und? Zu welchem Schluss bist du gekommen?«
    »Zu keinem, Onkel. Jedes Mal, wenn ich anfange, darüber nachzudenken, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Ich erinnere mich an Abt Andrews Worte, dass böse Mächte ihre Hand im Spiel hätten, und plötzlich bin ich nicht mehr Herr meiner Gedanken. Vor zwei Tagen träumte ich, wir wären an der Brücke zu spät gekommen, und ich sah Mary in die Tiefe stürzen und im Fluss ertrinken. Und vergangene Nacht sah ich Abbotsford in Flammen stehen. Ich habe das Gefühl, dass etwas Unheimliches, etwas Schreckliches dort draußen vor sich geht, Onkel.«
    »Ich weiß, mein Sohn.« Sir Walter nickte bedächtig. »Auch ich mache mir Sorgen. Aber ich gebe mir alle Mühe, mich von meinen Ängsten nicht einschüchtern zu lassen. Gebrauche deinen Verstand, mein Junge. Der Herr hat ihn dir gegeben, damit du ihn benutzt. Und dieser Verstand sollte dir sagen, dass der Feind, mit dem wir es zu tun haben, durch und durch von dieser Welt stammt und nicht von einer anderen. Der Vollmond mag dir unheimlich sein, aber er hat nichts mit den Dingen zu tun, die hier geschehen sind, ebenso wenig wie deine Träume.
    Du hast gehört, was Inspector Dellard gesagt hat. Die Drahtzieher der Anschläge sind aufständische Bauern aus den Highlands. Zwar bin ich kein Freund der Umsiedlungen und kann Dellards Methoden nicht gutheißen – die Art und Weise, wie er in Ednam

Weitere Kostenlose Bücher