Die Bruderschaft der Runen
entstellte Mienen blickte, aus denen kalte Augen starrten.
»Masken!«, rief sein Onkel ihm zu. »Es sind nur Masken, Quentin«, und wie um seine Worte zu beweisen, betätigte der Herr von Abbotsford seine Muskete.
Das Steinschloss schnappte in die Zündpfanne, und ein greller Feuerstoß züngelte aus dem Lauf, als die Muskete krachte. Fast gleichzeitig warf einer der Reiter die Arme hoch, ließ seine Fackel fallen und griff sich an die Schulter. Er fiel nicht aus dem Sattel, aber es war offensichtlich, dass er getroffen worden war.
»Verstand«, murmelte Quentin mit bebender Stimme vor sich hin, »gebrauche deinen Verstand. Wenn man den Reiter verletzen kann, bedeutet das, dass er ein Wesen aus Fleisch und Blut sein muss …«
»Verschwindet!«, brüllte Sir Walter aus Leibeskräften, während er die Preußenbüchse nachlud. »Macht, dass ihr von meinem Land herunterkommt, ihr feiges Gesindel!«
Die Reiter stürmten johlend an ihnen vorbei und schwenkten die Fackeln. Einer warf eine Flamme über die Mauer des Gartens, worauf es drinnen grell aufloderte.
»Tod!«, brüllte er dabei mit Stentorstimme. »Tod und Verderben unseren Feinden!«
Quentin spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Er erkannte die Roben wieder, ebenso wie die geschwärzten, konturlosen Mienen. Solch eine Gestalt war es gewesen, der er in der Bibliothek gegenübergestanden hatte. Er hatte sich nicht geirrt, das wusste er jetzt. Diese Vermummten waren für den Brand in der Bibliothek verantwortlich, und sie waren es auch gewesen, die den armen Jonathan ermordet und Lady Mary um ein Haar getötet hätten.
Zornesröte schoss dem jungen Mann ins Gesicht, und mit einem Mut und einer Entschlossenheit, wie er sie bislang nicht an sich gekannt hatte, brachte er das Gewehr in Stellung. Mit der rechten Hand wischte er die Schutzkappe beiseite, griff in die Munitionstasche und zog eine der schmalen Papierkartuschen hervor.
Mit den Zähnen biss Quentin das Ende ab und spuckte es aus; bitterer Pulvergeschmack lag auf seinen Lippen. Hastig schüttete er einen kleinen Teil der Pulverladung in die Zündpfanne und klappte das Pfannenblech herunter. Den Rest der Ladung mitsamt den Kugeln, die daran befestigt waren, gab er in den Lauf und drückte sie mit dem Ladestock zusammen.
Als die nächste Reiterschwadron – Quentin zählte fünf der vermummten Banditen – aus dem Unterholz brach, war Sir Walters Neffe vorbereitet. Der Kolben der Waffe flog gegen seine Schulter, während die Reiter, wüste Schreie ausstoßend und Fackeln schwenkend, auf ihn und seinen Onkel zuhielten.
Sir Walter feuerte erneut, aber diesmal ging seine Kugel fehl. Die Reiter lachten nur, und in der Hand eines der Vermummten sah Quentin einen schartigen Säbel blitzen, mit dem er auf seinen Onkel zusprengte. In wenigen Augenblicken würde er ihn erreicht haben, und der Herr von Abbotsford hatte nicht mehr genug Zeit, um seine eigene Waffe nachzuladen.
Quentin schloss sein linkes Auge, zielte über den Lauf und drückte ab.
Der Funkenregen aus der Zündpfanne entfachte die Ladung und schickte die Kugel mit lautem Knall auf Reisen. Der Rückstoß der Waffe riss Quentin von den Beinen und brachte ihn zu Fall. Noch während er stürzte, hörte er einen grellen Schrei und das panische Wiehern eines Pferdes.
»Onkel!«, schrie er, sprang auf die Beine und schaute sich nach Sir Walter um.
Sein Onkel war wohlauf.
Er stand nur wenige Schritte von Quentin entfernt und stützte sich auf sein Gewehr. Ihm zu Füßen lag einer der schwarz Vermummten in grotesker Verrenkung; sein Säbel steckte neben ihm im Boden.
»H-habe ich …?«, fragte Quentin atemlos.
Sir Walter nickte nur. »Du hast sie vertrieben, mein Junge, du ganz allein. Sie sind fort, wie es aussieht, und das ist nur deinem Meisterschuss zu verdanken.«
»Ist er …?« Quentin blickte zu der vermummten Gestalt, die reglos am Boden lag.
»So tot, wie ein Mensch nur sein kann«, bestätigte Sir Walter. »Der Herr möge sich seiner armen Seele erbarmen. Aber du, mein Junge, hast gezeigt, dass …«
Plötzlich war aus dem nahen Wald das hektische Rascheln von Blättern zu hören. Zweige brachen mit hellem Knacken, und ein dunkler Schatten stürzte aus dem Unterholz. Sofort riss Sir Walter seine Muskete in den Anschlag, die er nach Quentins Meisterschuss nicht mehr abgefeuert hatte.
»Halt!«, rief er mit lauter Stimme. »Wer bist du? Bleib stehen, oder du wirst das gleiche unselige Ende finden wie dein
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