Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
syrischen Vasallen hat bringen lassen. Ob nun etwa Schäden an ihnen behoben werden müssen und sich dort die besseren Handwerker befinden oder ob ein konzentrierter Beschuss der Westflanke geplant ist, soll uns dabei heute Nacht nicht interessieren. Was immer auch dahinterstecken mag, die Gelegenheit ist günstig, durch einen mit großer Wucht geführten Überraschungsangriff gegen das Sarazenenlager diese Schleudern und Katapulte zu zerstören. Gelingt uns das, werden wir kostbare Zeit gewinnen. Zeit, die darüber entscheiden kann, ob Akkon fällt oder der Belagerung durch die Ungläubigen standhält, bis aus Zypern ein Entsatzheer eingetroffen ist.« Hier und da warfen sich die Ritter skeptische Blicke zu, schätzten sie doch die Chance gering ein, dass König Heinrich II. in der Lage sein würde, ein ausreichend starkes Heer um sich zu sammeln und mit ihm rechtzeitig nach Akkon überzusetzen. An ihrer Entschlossenheit, in dieser mondhellen Nacht das Lager von Hamah anzugreifen, änderte diese Ahnung jedoch nichts. Der Großmeister gab nun den Befehl zum Aufsitzen und zum Entzünden der Pechfackeln für die Brandpfeile und die Feuertöpfe, und die Wachen am Tor machten sich bereit, nun auch die letzten Sperren zu lösen. Die schweren Balken hatten sie schon aus den Halterungen im Mauerwerk gehoben, als die Truppen zwischen den Wällen Aufstellung genommen hatten. Guillaume von Beaujeau wartete schweigend, bis alle im Sattel saßen und die Pechfackeln entflammt waren, und ließ danach noch eine lange Pause verstreichen, während er in die Runde blickte. Es war, als wollte sein Blick auf jedem einzelnen Gesicht verweilen, um das heilige Feuer, das in ihm loderte, auch noch zum letzten Krieger zu tragen. »So lasst uns denn nun mit der Gewissheit in den Kampf ziehen, dass Gott uns zu seinem Dienst gerufen hat und uns das Heil gewiss ist, wenn in dieser Nacht die Stunde unseres Todes gekommen sein sollte!«, rief er beschwörend. »Zu Unrecht haben die Ungläubigen unsere Burgen und Städte an sich gerissen, unter der Bevölkerung ein Blutbad nach dem anderen angerichtet und die Überlebenden in die Sklaverei geführt!« Er riss sein Schwert aus der Scheide und richtete die funkelnde Klinge auf das Ordensban ner. »Mögen der nie weichende Kummer über unsere Toten und der heilige Zorn über die Schandtaten, mit denen sie das Heilige Land, die Terra Sancta unseres Herrn und Erlösers, heimgesucht ha ben, zu einer unbändigen Kampfeskraft in uns werden, die wie ein Sturmwind über das Lager der Sarazenen hinwegfegt!« Ein Meer von Lanzen und Schwertern, die fast gleichzeitig aus den Scheiden flogen, erhob sich im Schein der Fackeln in de n Himmel und richtete sich auf das Ordensbanner aus . Und dann kam endlich der Befehl, auf den alle gewartet hatten : »Auf das Tor! «
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Das rund gewölbte Haupttor bestand aus zwei hohen Flügeln, deren mächtige, beinahe mannsdicke Balken von breiten Eisenbändern umschlossen wurden. Zudem war die Außenseite mit scharfen Eisendornen gespickt. Um dieses innere Tor zu öffnen, mussten sich auf jeder Seite drei Männer kräftig ins Zeug legen, um die beiden Flügel aufziehen zu können. Wie bei al len anderen Toranlagen im äußeren Befestigungsring, so vollführ te der breite Durchgang im Torhaus direkt hinter dem Hauptportal einen scharfen, rechtwinkligen Knick. Damit machte man es einem Feind unmöglich, einen schweren Rammbock gegen das Bollwerk einzusetzen. Während die eisenbeschlagenen Flügel schwerfällig aufschwan gen, begannen sich im stark befestigten Torhaus auch schon die Winden der Fallbrücke zu drehen. Die Mannschaften hatten Stun den zuvor die Brücke von innen mit armdicken Seilen festgezurrt, um danach die Zugketten ganz langsam und ohne Spannung von den dicken Trommeln lassen und in mühseliger Arbeit Glied für Glied mit altem Sackleinen umwickeln zu können. Deshalb drang jetzt auch kein lautes, verräterisches Rasseln in die Nacht hinaus, als die Ketten von den Winden liefen und sich die Zugbrücke rasch über den Festungsgraben senkte. Es mochten zwar kaum mehr als ein, zwei Minuten sein, die sie durch diese aufwendige Vorberei tung an Zeit gewannen. Aber jede Minute, die jetzt verstrich, ohne dass im Lager der Sarazenen Alarm gegeben wurde, konnte über Erfolg oder Misserfolg ihres Angriffs entscheiden.
Der Großmeister ritt mit dem Templer voran, der die Lanze mit dem Ordensbanner trug. Dicht aufgeschlossen, folgten ihm die einzelnen Reiterabteilungen
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