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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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und jene hohen, verzehrenden Flammen auflodern läßt, die sämtliche Widerstände hinwegraffen.
    Von diesem Augenblick an enthielten die Tage für ihn auch nicht eine Minute der Ruhe mehr. Zuerst entwarf er eiligst eine Skizze der Brücke, wie sie ihm vor Augen stand, wenn er den Fluß betrachtete: eine Brücke mit vier Reihen majestätischer, streng ausgerichteter Brückenpfeiler; mit harmonischem und kühnem Oberbau, der sich mehr als hundert Fuß über das Wasser erhob, und Querbalken, die nach einem von ihm erfundenen Verfahren zusammengefügt waren. (Nach einem Verfahren, das er früher vergeblich bei der sturen Regierung in Indien durchzudrücken versucht hatte.) Diese Brücke mit ihrem breiten, von festen, leicht vergitterten Geländern eingefaßten Brückenbelag, sah nicht nur den Schienenstrang, sondern seitlich auch eine Bahn für die Fußgänger und die Fahrzeuge vor.
    Danach machte er sich an die Berechnungen und die Diagramme und dann an den endgültigen Plan. Es war ihm gelungen, eine Rolle von annähernd zweckentsprechendem Papier von seinem japanischen Kollegen zu erhalten, der sich von Zeit zu Zeit schweigend hinter ihn schlich und das entstehende Werk betrachtete, ohne dabei seine bestürzte Bewunderung verbergen zu können.
    So gewöhnte er sich an, ohne sich einen Augenblick Ruhe zu gönnen, vom Morgengrauen bis zur Dämmerung zu arbeiten, bis er begriff, daß die Zeit zu schnell verrann, bis zu dem Augenblick, wo er voller Angst gewahr wurde, daß die Tage zu kurz waren und daß sein Bauvorhaben nicht zu der Frist, die er sich selber gestellt hatte, fertig werden würde. Daher verschaffte er sich durch Vermittlung des Oberst Nicholson von Saito die Genehmigung, noch Licht brennen zu dürfen, nachdem abends die Verdunkelung durchgeführt worden war. Von diesem Zeitpunkt an geschah es, daß er seine Abende und manchmal seine Nächte auf einem wackeligen Hocker sitzend verbrachte, wobei ihm sein jämmerliches Bambusbett als Zeichentisch diente. Sein Zeichenblatt war auf einem von ihm liebevoll glattgehobelten Brett ausgebreitet. Beim Licht einer winzigen Öllampe, die mit ihrem üblen Gestank die Hütte verpestete, schob er mit kundiger Hand Reißschiene und Winkelmaß, die er sich mit unendlicher Sorgfalt zurechtgeschnitten hatte, hin und her, um so den Plan für die Brücke herzustellen.
    Er legte diese Instrumente nur zur Seite, um nach einem neuen Bogen Papier zu greifen und fieberhaft darauf Quadratfußberechnungen auszuführen, wobei er nach erschöpfenden Tagesarbeiten seinen Schlaf opferte, um sein Wissen dem Werk einzuverleiben, das die abendländische Überlegenheit dartun sollte – nämlich dieser Brücke, die die japanischen Eisenbahnzüge auf ihrem Siegeszug zu dem Golf von Bengalen tragen sollte.
    Clipton hatte gedacht, daß die Sklavenarbeiten des abendländischen modus operandi, der zuerst die Ausarbeitung der Organisation, dann die zeitraubenden Untersuchungen und Theorien technischer Art voraussetzte, die Herstellung des Bauwerks um noch etwas mehr hinauszögern würden, als es der ungeordnete Empirismus der Japaner getan hätte.
    Es dauerte nicht lange, bis er die Nichtigkeit dieser Hoffnung und den Irrtum erkannte, den er begangen hatte, als er während der schlaflosen Nächte, die Reeves’ Lampe ihm verursachte, über diese vorbereitenden Arbeiten spottete.
    Er fing an, zuzugeben, daß er sich zu einer allzu leichtfertigen Kritik über die zivilisierten Fertigkeiten hatte hinreißen lassen, und zwar geschah dies an dem Tage, an dem Reeves seinen vollständig beendeten Plan dem Major Hughes überreichte und an dem die Ausführungsarbeiten mit einer Schnelligkeit in Angriff genommen wurden, die die optimistischsten Träume von Saito übertrafen.
    Reeves war keiner von jenen Menschen, die, völlig hypnotisiert von der symbolischen, vorbereitenden Arbeit, die Ära der Verwirklichung auf unbestimmte Zeit hinauszögern, weil ihre ganze Kraft der geistigen Arbeit zum Nachteil für die Materie gewidmet ist. Er blieb immer mit einem Fuß auf dem Boden. Im übrigen war, sooft er die Neigung zeigte, die theoretische Vollendung ein wenig zu weit zu treiben und die Brücke in einen Nebel abstrakter Zahlen zu hüllen, Oberst Nicholson da, um ihn wieder auf den rechten Weg zurückzuführen. Dieser besaß jenen Wirklichkeitssinn des Vorgesetzten, der niemals das angestrebte Ziel und ebensowenig die Mittel aus den Augen verliert, über die er verfügt, und der bei seinen Untergebenen ein

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