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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Er sang bei den Pogues mit und gab sich
Mühe, nicht zu schnell zu werden. Er hatte Durst; für
gewöhnlich hatte er eine Dose Coke oder Irn Bru in der
Türtasche, aber er hatte vergessen, eine neue hineinzustecken.
Neuerdings vergaß er zu vieles. Nachdem ein paar Fahrer ihn
angeblitzt hatten, schaltete er die Hauptscheinwerfer ein.
    Die Autostraße lief über einen Kamm zwischen
Inverkeithing und Rosyth, und er konnte die Flugzeuglichter der
Straßenbrücke erkennen, ein plötzliches weißes
Aufflackern oben auf den beiden hohen Türmen. Eigentlich schade;
ihm waren die alten roten Lichter lieber gewesen. Er wechselte die
Spur, um einen Sierra vorbeizulassen, sah die Schlußlichter
verschwinden und dachte: Normalerweise würde ich dir das nicht
durchgehen lassen, Sportsfreund. Sich in seinem Sitz
zurücklehnend, trommelte er mit den Fingern im Takt der Musik
auf das kleine Lenkrad. Die Straße lief auf einen Einschnitt
zwischen den Felsen zu, die die Halbinsel bilden; das Schild für
North Queensferry sauste vorbei. Er wäre gern hinuntergefahren,
um wieder einmal unter der Eisenbahnbrücke zu stehen, aber es
hatte keinen Sinn, diese Fahrt länger zu machen als unbedingt
notwendig; das hieße, das Schicksal herauszufordern.
    Warum tue ich das? dachte er. Wird es tatsächlich einen
Unterschied bedeuten? Ich hasse Menschen, die in betrunkenem
Zustand fahren, warum, zum Teufel, tue ich es? Er dachte daran
umzukehren, doch noch die Straße nach North Queensferry zu
nehmen. Dort war ein Bahnhof; er konnte parken, in den Zug steigen
(in die eine oder die andere Richtung)… aber er war schon an der
letzten Abzweigung vor der Brücke vorbeigefahren. Zum Teufel
damit! Vielleicht würde er auf der anderen Seite, in Dalmeny
haltmachen, lieber dort parken als seine teure Speziallackierung in
dem vorweihnachtlichen Verkehr in Edinburgh aufs Spiel zu setzen. Er
konnte das verdammte Ding am Morgen holen kommen. Nur mußte er
daran denken, sämtliche Alarmvorrichtungen einzuschalten.
    Die Straße verließ den Einschnitt durch die Berge. Er
erkannte South Queensferry, die Marina von Port Edgar, das
VAT-69-Schild der dortigen Brennerei, die Lichter von Hewlett
Packards Fabrik und die Eisenbahnbrücke, dunkel im letzten vom
Himmel reflektierten Abendlicht. Dahinter schimmerten weitere
Lichter, das Öl-Terminal von Hound Point, für das sie einen
Subkontrakt hatten, und weiter entfernt die Lichter von Leith. Die
hohlen Metallknochen der alten Eisenbahnbrücke hatten die Farbe
von getrocknetem Blut.
    Du verdammte Schönheit, dachte er. Was bist du für ein
hinreißendes, großartiges Bauwerk! So zart aus dieser
Entfernung, so massig und stark aus der Nähe. Eleganz und
Grazie, perfekte Form. Eine Qualitätsbrücke, Granit-Piere,
der beste Schiffsplatten-Stahl und ein niemals vollendeter
Anstrich…
    Die Brücke erhob sich langsam zu ihrem sanften
Hängegipfel. Er warf einen Blick auf die Straße
zurück. Die Oberfläche war ein bißchen feucht, aber
das war kein Grund zur Sorge. Kein Problem. Er fuhr sowieso nicht
sehr schnell, blieb auf der langsamen Spur, sah zu der
Eisenbahnbrücke flußabwärts hin. Ein Licht blinkte am
anderen Ende der Insel unter dem mittleren Abschnitt der
Eisenbahnbrücke.
    Doch eines Tages wirst sogar du verschwunden sein. Nichts dauert.
Vielleicht ist es das, was ich ihr sagen will. Vielleicht will ich
ihr sagen, nein, natürlich macht es mir nichts aus; du
mußt nach Paris. Ich kann dem Mann das nicht
mißgönnen; du würdest das Gleiche für mich tun,
und ich würde es für dich tun. Es ist nur schade, das ist
alles. Geh, wir werden alle am Leben bleiben. Vielleicht kommt etwas
Gutes…
    Plötzlich scherte der Lastwagen vor ihm aus. Er sah einen
Wagen vor sich, der leer auf der Langsamspur geparkt war. Er sog den
Atem ein, stampfte auf die Bremse, versuchte abzubiegen. Aber es war
zu spät.
    In dem Augenblick, als sein Fuß mit aller Kraft die Bremse
niedertrat und er das Lenkrad so weit hinüberriß, wie es
ohne Griffwechsel ging, erkannte er, daß er sonst nichts mehr
tun konnte. Er wußte nicht, wie lang dieser Augenblick dauerte,
wußte nur, daß es sich bei dem Wagen vor ihm um einen MG
handelte, daß niemand darin saß – ein Wellchen der
Erleichterung auf einer Flut von Angst – und daß er ihn
mit voller Wucht rammen würde. Er erhaschte einen Blick auf das
Nummernschild, VS und noch etwas. War das nicht eine
Westküsten-Nummer? Das achteckige MG-Zeichen auf dem Kofferraum
des nach einer Panne

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