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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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ganz ausgezeichnet. Gerade
in der richtigen Stimmung zum Fahren.
    Warum nicht? dachte er. Fahre den Albino-Jaguar hinein in die
Dämmerung, halte auf die Autostraße zu und rase über
die Brücke, den Ton so weit wie möglich aufgedreht, ein
arrogantes Grinsen und einen Schuß Ohrenschmerzen für den
armen Teufel, der den Zoll von dir kassieren will… ganz Fear
and Loathing, ganz im Stil von Hunter S. Thomson. Genug,
Jungchen, nach diesem verdammten Buch bist du immer dieses kleine
bißchen schneller gefahren. Deine eigene Schuld, daß du
dir vor ein paar Minuten White Rabbit angehört hast, das
sind jetzt die Folgen. Nein, vergiß das Fahren, du hast zuviel
getrunken!
    Ach, zum Teufel, das machen sie zu dieser Jahreszeit alle.
Verdammt noch mal, ich fahre betrunken besser als viele Leute
nüchtern. Immer mit der Ruhe, du schaffst das. Schließlich
ist es ja nicht so, als ob du die Straße nicht kennst. Fahre in
der Stadt ganz vorsichtig, bloß für den Fall, daß
dir irgendein Kind vor den Wagen läuft und deine Reaktionen
verlangsamt sind, dann immer noch hübsch sachte auf die
Autostraße, mit der gesetzlich erlaubten Geschwindigkeit oder
noch darunter. Du wirst weder eine Wettfahrt mit dem jugendlichen
Lokal-Matador in seinem Capri veranstalten noch glasäugigen
BMW-Fahrern einen heillosen Schrecken einjagen. Nur laß dich
nicht einschüchtern, nicht aus der Konzentration bringen, denke
weder an rote Haie noch an weiße Wale, unterlasse es, die
Federung über Betonmauern oder kontrollierten Versetzungen
rundherum um ein ganzes Kleeblatt zu testen. Behalte die Ruhe,
hör auf die Musik. Vielleicht Auntie Joanie. Etwas Beruhigendes,
nicht einschläfernd, aber gleichmäßig, nicht zu aufregend, nichts von der Art, bei der der rechte Fuß
automatisch nach unten drückt…
    Er versuchte ein letztes Mal zu telefonieren. Dann sah er nach
Stewart, der ruhig schlief und sich, als er die Tür
öffnete, von dem Lichtschimmer aus dem Flur wegdrehte. Er
schrieb ihm einen Zettel und legte ihn neben den Wecker. Er nahm
seine alte Motorradjacke und den mit seinem Monogramm bestickten
Schal und verließ die Wohnung.
    Es kostete ihn einige Zeit, aus der Stadt hinauszukommen. Ein
Regenschauer war niedergegangen; die Straßen waren naß.
Bei Steeltown von Big Country schlängelte er sich mit dem
Jaguar durch den Verkehr. An Carnegies Geburtsort schien ihm das die
richtige Musik zu sein. Immer noch fühlte er sich
großartig. Er wußte, daß er eigentlich nicht fahren
durfte, und er wagte nicht, daran zu denken, welcher Wert sich zeigen
würde, wenn man ihn ins Röhrchen pusten ließ, aber
ein Teil von ihm – der nicht betrunkene – paßte auf
und beurteilte sein Fahren, und er würde es schaffen, er
würde durchkommen, vorausgesetzt, er ließ sich nicht aus
der Konzentration bringen und er hatte kein ausgesprochenes Pech. Er
wollte es nie wieder tun, versprach er sich selbst, als er endlich
eine freie Strecke vor sich hatte und die Autostraße nicht mehr
weit war. Nur dieses eine Mal, weil es schließlich wichtig
ist.
    Und ich werde ganz vorsichtig sein.
    Das war hier eine Schnellstraße. Er ließ den Wagen
lospreschen und grinste, als sein Rücken gegen die Lehne
gepreßt wurde. »Oh, wie ich es liebe, diesen Motor brummen
zu hören«, murmelte er vor sich hin. Er nahm das
Big-Country-Band aus dem Nakamichi und stellte stirnrunzelnd fest,
daß er die erlaubte Geschwindigkeit überschritten hatte.
Er ließ die Nase des Wagens wieder fallen, wurde langsamer.
    Etwas nicht zu Rauhes und Adrenalinförderndes für die
Überquerung der großen grauen Brücke. Bridge Over
Troubled Water? dachte er grinsend. »Habe ich seit Jahren
nicht mehr im Wagen gehabt, Jimmy.« Er hatte eine Kassette mit Lone Jugdement auf der einen und How Will the Wolf Survive? von Los Lobos auf der anderen Seite. Die nahm er in die Hand und
betrachtete sie, während er sich der Autostraße
näherte. Nein, in diesem Augenblick wollte er die Texican Boys
hören, und er hatte keine Lust, das Band erst
zurückzuspulen. Dann mußten es also die Pogues sein. Rum Sodomy and the Lash; das war eine verdammt schöne
Musik zum Fahren. Das bißchen Rauheit schadete nicht. Es hielt
einen wach. Versuche bloß nicht, die ganze Zeit mit der Musik
Schritt zu halten. Da wären wir…
    Er fuhr auf die M90 und nahm die Richtung nach Süden.
Oberhalb der zerfetzten Wolken war der Himmel dunkelblau. Ein sehr
milder Abend, nicht einmal kühl zu nennen. Die Straße war
immer noch naß.

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