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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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aber nichts deutlich. Zweimal, glaube ich, hatte
ich den Namen des Mannes beinahe. Allmählich glaubte ich, meine
Träume seien die echte Realität, und wachte jeden Morgen
unter einem Baum oder im Windschatten eines Felsens in der Erwartung
auf, mich in einer anderen Existenz zu befinden, einem anderen Leben.
Ein schönes sauberes Krankenhausbett wäre schon mal ein
Anfang… aber nein. Ich war immer hier, auf einer Tiefebene in
der gemäßigten Klimazone, die zu einem Schlachtfeld
geworden war und wo ich eben erst den Mann mit dem Flegel getroffen
hatte. Trotzdem schimmert Licht hinten am Horizont.
    Ich wandere auf dieses Licht zu. Es sieht wie der Rand dieser
nassen Wolken aus, ein langes goldenes Auge mit einem Lid. Auf dem
Gipfel eines Hügels blicke ich auf den kleinen,
mißgestalteten Mann zurück. Er ist immer noch da, peitscht
auf einen gefallenen Krieger ein. Vielleicht hätte ich mich
hinlegen und mich von ihm schlagen lassen sollen. Ist vielleicht der
Tod die einzige Möglichkeit, wie ich aus diesem schrecklichen,
verzauberten Schlaf aufwachen kann?
    Das würde Glauben erfordern. Ich glaube nicht an Glauben. Ich
glaube, daß es ihn gibt, aber ich glaube nicht, daß er
funktioniert. Ich weiß nicht, welche Regeln hier gelten. Ich
kann es nicht riskieren, alles auf eine vage Vermutung hin aufs Spiel
zu setzen.
    Ich komme an die Stelle, wo die Wolken enden und die dunklen
Hügel von niedrigen Klippen abgelöst werden. Dahinter ist
Sand.
    Ein unnatürlicher Ort, denke ich und sehe zu dem Rand der
dunklen Wolke hoch. Die Grenze zwischen den schattigen Hügeln
mit ihren gefallenen Armeen und der goldenen Sandwüste ist zu
bestimmt, zu gleichmäßig. Ein heißer Wind, der von
dem Sand aufsteigt, bläst die schalen, dicken Gerüche des
Schlachtfeldes weg. Ich habe eine Flasche mit Wasser und ein paar
Früchte. Meine Kellnerjacke ist dünn, der alte Mantel des
Feldmarschalls ist schmutzig. Ein gütiges Geschick hat mir das
Taschentuch gelassen.
    Ich springe von dem letzten Hügel über den heißen
Sand auf den goldenen Hang hinunter, pflüge und gleite auf den
Boden der Wüste zu. Die Luft ist heiß und trocken und ohne
die fauligen Gerüche des welligen Schlachtfeldes hinter mir,
aber voll von einer anderen Art von Tod. Schon die völlige
Trockenheit der Lüfte verrät, was es heißt, sich
durch ein Land zu bewegen, wo es kein Wasser, kein Essen, keinen
Schatten gibt.
    Ich setze mich in Marsch.
     
    Einmal glaubte ich zu sterben. Ich war gegangen und gekrochen und
hatte keinen Schatten gefunden. Schließlich fiel ich den
glatten Hang einer Düne hinunter. Mir war klar, daß ich
ohne Wasser, ohne Flüssigkeit, ohne irgend etwas nicht wieder
auf die Füße kommen würde. Die Sonne war ein
weißes Loch in einem Himmel so blau, daß er keine Farbe
hatte. Ich wartete, daß sich Wolken bilden würden, aber es
kamen keine. Schließlich erschienen dunkle Vögel mit
breiten Flügeln. Sie kreisten über mir, schwebten auf einem
unsichtbaren Aufwind, warteten.
    Ich beobachtete sie mit halb zugeklebten Augen. Die Vögel
flogen in einer großen Spirale über die Wüste, als
hänge eine große, unsichtbare Schraube über mir und
sie seien nur Fetzen schwarzer Seide, die an ihren
spiralförmigen Riefen hingen und sich langsam mit der Drehung
der gewaltigen Säule bewegten.
     
    Dann erscheint ein anderer Mann oben auf der Düne. Er ist
groß und muskulös und mit der leichten Rüstung eines
Wilden bekleidet; seine goldenen Arme und Beine sind bloß. Er
hat ein riesiges Schwert und einen verzierten Helm, den er in der
Armbeuge trägt. Ungeachtet seiner Massigkeit sieht er
transparent und unstofflich aus. Ich kann durch seinen Körper
sehen. Vielleicht ist er ein Geist. Das Schwert glänzt in der
Sonne, aber matt. Er schwankt auf den Füßen, sieht mich
nicht. Er führt eine Hand zittrig an die Stirn, dann scheint er
mit dem Helm auf seinem Arm zu sprechen. Halb gehend, halb taumelnd
kommt er die Düne herunter auf mich zu. Seine in Stiefeln
steckenden Füße und seine mit dicken Muskeln bepackten
Beine stapfen durch den festgebackenen Sand. Offenbar sieht er mich
immer noch nicht. Sein Haar ist von der Sonne gebleicht. Die Haut
seines Gesichts, seiner Arme und Beine schält sich. Das Schwert
schleift hinter ihm her durch den Sand. Vor meinen Füßen
bleibt er stehen, späht in die Ferne, schwankt. Ist er gekommen,
mich mit diesem großen Schwert zu töten? Wenigstens ginge
das schnell.
    Er steht immer noch schwankend da, den

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