Die Brücke
aussieht, werde ich irgendwie hinausgelangen und diese
Maschine finden und mich beschweren.
Ich gehe in das Zimmer mit dem Lehnstuhl zurück. Ich finde
keinen Keir Dullea in Verkleidung. Der Raum ist leer, aber der
Bildschirm ist zum Leben erwacht. Ich setze mich in den Sessel und
betrachte ihn.
Es ist wieder der Mann in dem Bett. Nur ist diesmal alles in
Farbe; ich kann ihn besser sehen. Er liegt zur Abwechslung auf dem
Bauch, und es ist ein anderes Bett in einem anderen Zimmer.
Tatsächlich ist es ein kleiner Krankensaal mit drei anderen
Betten, zwei von ihnen von älteren Männern mit verbundenen
Köpfen besetzt. Rund um das Bett meines Mannes stehen Spanische
Wände, aber ich sehe von oben auf ihn hinab. Seine kahle Stelle
ist deutlich sichtbar. Ich fasse mir auf den eigenen Kopf; eine kahle
Stelle. Doch die Haare auf meinen Armen sind nicht schwarz, sondern
dreckbraun. Scheiße.
Alles wirkt gemütlicher, als ich es in Erinnerung habe. Auf
einem Nachtschränkchen steht eine Vase mit gelben Blumen. Am
Fußende des Bettes hängt eine Fieberkurve; vielleicht hat
man sie heutzutage nicht mehr. Der Mann trägt ein
Plastik-Armband ums Handgelenk. Ich kann nicht lesen, was darauf
steht.
Geräusche in der Ferne, Leute reden, ein kleines weibliches
Lachen, Klirren von Flaschen oder vielleicht von etwas Metallischem
und Räderquietschen auf dem Fußboden. Zwei Schwestern
erscheinen. Sie treten hinter die Spanischen Wände und drehen
den Mann um. Sie schütteln seine Kissen auf und richten ihn ein
bißchen hoch, und die meiste Zeit plaudern sie dabei
miteinander. Es macht mich rasend, daß ich nicht hören
kann, was sie sagen.
Die Schwestern gehen wieder. Menschen treiben ins Bild,
nähern sich den beiden anderen belegten Betten, normale Leute,
ein junges Paar für den einen älteren Mann, eine alte Frau,
die ruhig mit dem anderen alten Patienten redet. Bisher noch niemand
für meinen Mann. Es sieht nicht so aus, als kümmere es
ihn.
Dann kommt Andrea Cramond. Sie sieht komisch von diesem
erhöhten Gesichtspunkt aus, aber sie ist es. Sie trägt
einen weißen Hosenanzug aus Rohseide, rote Schuhe mit hohen
Absätzen, eine rote Seidenbluse. Sie legt die Jacke – habe
ich sie ihr nicht letztes Jahr bei Jenner gekauft? – ans
Fußende, dann beugt sie sich über den Mann,
küßt ihn erst auf die Stirn, dann leicht auf die Lippen.
Ihre Hand bleibt ein Weilchen liegen, streicht ihm das Haar aus der
Stirn zurück. Sie setzt sich in einen Sessel auf der einen Seite
des Bettes, schlägt die Beine übereinander, stützt den
Ellbogen auf den Oberschenkel, das Kinn in die Hand. Sie starrt den
Mann an. Ich starre sie an.
Vielleicht bilden sich ein paar Linien mehr in diesem ruhigen,
wenn auch besorgten Gesicht. Diese Fältchen unter ihren Augen
sind noch da; unter ihnen liegen jetzt leichte Schatten. Ihr Haar ist
länger, als ich es in Erinnerung habe. Ich kann ihre Augen nicht
richtig sehen, aber diese Wangenknochen, diese elegante Nase, die
langen dunklen Augenbrauen, das kräftige Kinn und den weichen
Mund… das sehe ich alles.
Sie beugt sich vor und nimmt seine Hand, ohne den Blick von ihm zu
lösen. Warum ist sie hier? Warum ist sie nicht in Paris?
Entschuldige, Liebling, kommst du oft her?
(Ist das jetzt? Ist das in der Vergangenheit?)
Nach einer Weile – sie hält immer noch seine Hand und
sieht in dieses weiße, ausdruckslose Gesicht – senkt sie
langsam den Kopf auf das umgeschlagene Bettlaken neben der Hand des
Mannes und begräbt ihr Gesicht in dem gestärkten
Weiß. Ihre Schultern beben einmal, zweimal.
Der Bildschirm hier im Zimmer wird dunkel, und dann geht das Licht
aus. Das Licht in dem Zimmer nebenan mit dem Bett brennt weiter.
Mein Unterbewußtsein, vermute ich, versucht, mir etwas
mitzuteilen. Subtilität ist nie seine Stärke gewesen. Ich
seufze, stemme meine Hände auf die Armlehnen des Ledersessels
und erhebe mich langsam.
Ich lasse meine Kleider neben dem Bett auf den Fußboden
fallen. Auf dem Kissen ist ein kurzes, hinten zu schließendes
Baumwoll-Nachthemd ausgelegt. Ich ziehe es an, steige ins Bett,
schlafe ein.
Coda
ICH SAGTE, NEIN, es war nicht der Alkohol…
Ich kann Sie immer noch nicht verstehen, Mann. Sprechen Sie
lauter!
Okay! Es war mir Ernst damit!
Verdammt noch mal, mir auch. Und noch etwas: Sie glaubt immer
noch, daß Unglücke immer zu dritt kommen. Erst ist ihr
Vater in seinem Wagen gestorben, dann wurde Gustave von einer
tödlichen Krankheit
Weitere Kostenlose Bücher