Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
verstehen, daß es nur für sie ist!« schrie er plötzlich durch den ganzen Saal, verbeugte sich, wandte sich kurz um und eilte mit denselben schnellen, langen Schritten zum Ausgang, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    ›Alles war schon verloren, und da hat mich mein Schutzengel gerettet!‹ ging es ihm durch den Kopf. ›Wenn ein Geschäftsmann wie dieser Alte (ein edeldenkender alter Mann, und was hat er für eine würdige Haltung!) – wenn er mir diesen Weg gezeigt hat, dann ist die Sache natürlich so gut wie gewonnen. Ich will sofort hineilen. Vor Anbruch der Nacht bin ich zurück, nun, meinetwegen auch erst in der Nacht, aber die Sache wird zum guten Ende gebracht! Es ist doch nicht denkbar, daß sich der Alte über mich lustig gemacht hat?‹
    So dachte Mitja, als er nach Hause ging, und allerdings konnten sich seinem Geist auch nur zwei Möglichkeiten darbieten: Entweder war das ein vernünftiger Rat von einem Praktiker, der sich auf Geschäfte verstand und auch diesen Ljagawy kannte, ein sonderbarer Name übrigens – oder der Alte hatte sich über ihn lustig gemacht! Leider war der letztere Gedanke der richtige. Später, sehr viel später, als die ganze Katastrophe schon geschehen war, gestand der alte Samsonow selbst lachend, den »Hauptmann« damals zum besten gehalten zu haben. Er war ein boshafter, kalter, spottlustiger Mensch, der überdies krankhafte Antipathien hatte. War es die begeisterte Miene des »Hauptmanns« oder war es die dumme Zuversicht dieses »Schlemmers und Verschwenders«, er, Samsonow, müßte auf solchen Unsinn wie diesen »Plan« hereinfallen, oder war es ein eifersüchtiges Gefühl Gruschenkas wegen, um derentwillen dieser »Galgenstrick« mit seiner unsinnigen Bitte zu ihm gekommen war – ich weiß nicht, was eigentlich auf den Alten gewirkt hatte. In dem Augenblick jedenfalls, als Mitja vor ihm stand und fühlte, daß ihm die Beine schwach wurden, als er halb von Sinnen rief, daß er verloren sei – in dem Augenblick hatte sich der Alte voll grenzenloser Bosheit vorgenommen, ihn anzuführen.
    Als Mitja hinausgegangen war, wandte sich Kusma Kusmitsch, blaß vor Zorn, an seinen Sohn und befahl, dafür zu sorgen, daß dieser Lumpenkerl nie wieder hereingelassen würde, nicht einmal auf den Hof, sonst ... Er sprach seine Drohung nicht zu Ende aus, doch selbst sein Sohn, der ihn oft zornig gesehen hatte, fuhr vor Schreck zusammen. Noch eine Stunde danach zitterte der Alte vor Wut am ganzen Körper, und gegen Abend wurde er krank und schickte nach seinem Arzt.

2. Ljagawy
    Mitja mußte also sofort losfahren, Geld für Pferde besaß er jedoch nicht; das heißt, er besaß zwei Zwanzigkopekenstücke: Das war alles, was ihm aus den Jahren früheren Wohlstandes geblieben war. Aber er hatte zu Hause noch eine alte silberne Uhr liegen, die schon längst nicht mehr ging. Die trug er zu einem jüdischen Uhrmacher, der in der Ladenstraße einen kleinen Laden hatte, und erhielt dafür sechs Rubel. »Auch das hatte ich nicht erwartet!« rief Mitja entzückt – er befand sich noch immer in einem Zustand der Begeisterung –, nahm die sechs Rubel und lief nach Hause. Dort vermehrte er diese Summe noch, indem er sich drei Rubel von seinen Wirtsleuten borgte, die sie ihm gern gaben, obwohl es ihr letztes Geld war – so sehr mochten sie ihn. Mitja entdeckte ihnen ohne Umschweife, daß sich jetzt sein Schicksal entscheiden müsse, und erzählte ihnen, selbstverständlich nur flüchtig, fast seinen ganzen »Plan«, den er soeben dem alten Samsonow vorgetragen hatte, danach dessen Antwort, seine Hoffnungen für die Zukunft und so weiter und so fort. Seine Wirtsleute waren auch früher schon in viele seiner Geheimnisse eingeweiht worden und betrachteten ihn daher als ihresgleichen und nicht als einen stolzen gnädigen Herrn.
    Nachdem Mitja auf diese Weise neun Rubel zusammengebracht hatte, ließ er Postpferde holen, um nach Wolowja zu fahren. Aber dadurch wurde eine Tatsache offenkundig, die sich dann im Gedächtnis der Betreffenden einprägte: daß nämlich Mitja am Tag vor einem bestimmten Ereignis, und zwar gegen Mittag, keine Kopeke besaß, daß er, um sich Geld zu verschaffen, seine Uhr verkaufte und sich drei Rubel von seinen Wirtsleuten borgte, und das alles in Gegenwart von Zeugen ... Ich notiere diese Tatsache im voraus; später wird klar werden, warum.
    Während Mitja nach Wolowja jagte, strahlte sein Gesicht zwar in dem freudigen Vorgefühl, daß er nun endlich »alle diese

Weitere Kostenlose Bücher