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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Angelegenheiten« glücklich erledigen würde, dennoch quälte ihn auch die Unruhe: Was geschieht in seiner Abwesenheit mit Gruschenka? Ob sie sich nicht vielleicht gerade heute entschließt, zu Fjodor Pawlowitsch zu gehen? Das war auch der Grund, weshalb er ihr von seiner Abreise nichts mitgeteilt und seinen Wirtsleuten aufgetragen hatte, niemandem zu sagen, wo er geblieben war. ›Ich muß unbedingt heute abend wieder zurück sein!‹ sagte er sich wiederholt, während er auf dem Bauernwagen durchgerüttelt wurde. ›Und diesen Ljagawy muß ich womöglich auch gleich mitschleppen, damit wir dieses Schriftstück fertigstellen.‹ So dachte Mitja sorgenvoll; doch war es seinen Gedanken leider nicht beschieden, »plan«gemäß verwirklicht zu werden.
    Erstens kam er von der Station Wolowja aus später, als er gerechnet hatte, ans Ziel. Es stellte sich heraus, daß der Landweg nicht zwölf, sondern achtzehn Werst lang war. Zweitens traf er den Popen von Iljinskoje nicht zu Hause an; dieser hatte sich in ein Nachbardorf begeben. Ehe Mitja mit den schon erschöpften Pferden in diesem Nachbardorf angelangt war und ihn dort ausfindig gemacht hatte, war schon beinahe die Nacht angebrochen. Der Pope, ein schüchternes, freundliches Männchen, erklärte ihm, dieser Ljagawy habe zwar ursprünglich bei ihm logieren wollen, befinde sich aber jetzt in Suchoi Posjolok und werde dort in dem Häuschen eines Waldhüters übernachten, weil er auch dort wegen eines Waldes verhandle. Auf Mitjas dringende Bitte, ihn sogleich zu Ljagawy zu führen und »ihn dadurch sozusagen zu retten«, erklärte sich der Pope nach anfänglichem Zaudern bereit, ihn nach Suchoi Posjolok zu begleiten, weil er offenbar eine starke Neugier verspürte; aber leider riet er, zu Fuß zu gehen, da es nur »ein ganz klein wenig über eine Werst« sei. Mitja willigte selbstverständlich ein und lief mit seinen großen Schritten so drauflos, daß der arme Pope beinahe rennen mußte. Er war ein noch nicht alter und sehr vorsichtiger Mann. Mitja sprach auch mit ihm sofort über seine »Pläne« und verlangte in hitzigem, nervösem Ton ständig Ratschläge bezüglich Ljagawys. Der Pope hörte aufmerksam zu, gab allerdings kaum einen Rat. Auf Mitjas Fragen antwortete er ausweichend: »Ich weiß nicht ... Ach, das weiß ich nicht ... Woher sollte ich das wohl wissen?«, und so weiter. Als Mitja von seinen Erbschaftsstreitigkeiten mit dem Vater redete, wurde der Pope sogar ängstlich, weil er zu Fjodor Pawlowitsch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis stand.
    Übrigens fragte er erstaunt, warum Mitja diesen handeltreibenden Bauern Gorstkin immer Ljagawy nenne, und erklärte ihm, Ljagawy sei nur sein Spitzname; Gorstkin fühle sich durch diesen Namen sehr gekränkt, und man müsse ihn unbedingt Gorstkin nennen. »Sonst werden Sie bei ihm nichts erreichen, und er wird Sie nicht einmal anhören!«schloß der Pope.
    Mitja wunderte sich ein wenig, habe doch Samsonow selbst den Betreffenden so genannt. Als der Pope das hörte, brach er dieses Gespräch sofort ab, obgleich er Dmitri Fjodorowitsch seine Vermutung lieber gleich hätte mitteilen sollen: daß Samsonow, wenn er ihn zu diesem Bauern geschickt und den dabei Ljagawy genannt habe, sich wohl lustig machen wollte und daß da etwas nicht in Ordnung zu sein scheine.
    Mitja hatte jedoch keine Zeit, sich »bei solchen Kleinigkeiten« aufzuhalten. Er schritt eilig aus, und erst als er in Suchoi Posjolok angekommen war, merkte er, daß sie nicht eine Werst und nicht anderthalb Werst gegangen waren, sondern mindestens drei. Das ärgerte ihn, aber er beherrschte sich.
    Sie kamen zu dem Häuschen. Der Waldhüter, ein Bekannter des Popen, bewohnte die eine Hälfte des Häuschens; in der anderen, der »guten Stube«, jenseits des Flurs, hatte sich Gorstkin einquartiert. Sie traten in diese gute Stube ein und zündeten ein Talglicht an. Die Stube war überheizt. Auf einem Tisch aus Fichtenholz standen ein erloschener Samowar, ein Präsentierteller mit Tassen, eine ausgetrunkene Flasche Rum und eine nicht ganz ausgetrunkene Flasche Branntwein; Reste eines Weißbrotes lagen auch umher. Der Gast selbst hatte sich auf einer Bank ausgestreckt, den zusammengeballten Rock statt eines Kissens unter dem Kopf, und schnarchte gewaltig. Mitja war zunächst unentschlossen, doch dann sagte er in seiner Unruhe: »Natürlich muß ich ihn wecken, meine Angelegenheit ist höchst wichtig. Ich habe mich so beeilt und muß heute noch zurück. » Der

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