Die Brüder Karamasow
unterbrach ihn Gruschenka und sprang auf.
»Ganz richtig, Pani. Ich bin nicht kleinlich, ich bin großzügig. Aber ich war erstaunt, als ich deine Liebhaber sah. Pan Mitja hat mir soeben dreitausend Rubel angeboten, damit ich abreise. Ich habe ihm ins Gesicht gespuckt.«
»Wie? Er hat dir Geld für mich angeboten?« schrie Gruschenka in grenzenloser Erregung. »Ist das wahr, Mitja? Wie hast du das wagen können? Bin ich denn käuflich?«
»Panie, Panie!« brüllte Mitja. »Sie ist rein, strahlend rein, und ich bin nie ihr Geliebter gewesen! Da haben Sie gelogen ...«
»Wie kannst du dich erdreisten, mich ihm gegenüber zu verteidigen?« schrie Gruschenka. »Nicht aus Tugendhaftigkeit bin ich rein gewesen, auch nicht, weil ich mich vor Kusma gefürchtet habe, sondern damit ich ihm gegenüber stolz sein konnte und das Recht hatte, ihn einen Schurken zu nennen, sobald ich ihm wieder begegnen würde. Hat er das Geld von dir wirklich nicht angenommen?«
»Doch! Er hat es angenommen, er hat es angenommen« rief Mitja. »Nur wollte er die ganzen dreitausend auf einmal haben, und ich bot ihm nur eine Anzahlung von siebenhundert.«
»Nun, das ist verständlich. Er hatte ja gehört, daß ich, Geld habe! Und darum ist er gekommen, um mich zu heiraten!«
»Pani Agrippina!« rief der Pole. »Ich bin ein Kavalier, ich bin rin Edelmann, ich bin kein Strolch. Ich bin gekommen, um dich zu meiner Gemahlin zu machen, aber ich sehe eine neue Pani vor mir, nicht die frühere, sondern eine eigensinnige und schamlose Pani.«
»So scher dich doch dahin, wo du hergekommen bist! Ich werde dich gleich wegjagen lassen, und man wird dich wegjagen!« rief Gruschenka außer sich. »Eine Verrückte bin ich gewesen, daß ich mich fünf Jahre lang gequält habe! Aber ich habe mich überhaupt nicht um seinetwillen gequält! Aus Zorn habe ich mich gequält! Und er ist es ja überhaupt nicht! War er damals etwa so ein Mann wie dieser jetzt? Der hier könnte der Vater von dem Früheren sein! Wo hast du dir denn diese Perücke machen lassen? Der andere war ein Falke, der hier ist ein Enterich. Der andere lachte und sang mir Lieder ... Und ich, ich habe fünf Jahre lang Tränen vergossen! Ich verdammte Idiotin, ich niedriges, schamloses Geschöpf!«
Sie sank in ihren Lehnstuhl zurück und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
In diesem Augenblick ertönte im Nachbarzimmer links der Chor der Mädchen von Mokroje, die sich nun endlich versammelt hatten; sie sangen ein keckes Tanzlied.
»Das ist ja ein wahres Sodom!« schrie auf einmal Pan Wroblewski. »Wirt, jag das unverschämte Pack hinaus!«
Der Wirt, der schon lange neugierig durch die Tür sah, da er das Geschrei gehört und geahnt hatte, daß die Gäste in Streit geraten waren, erschien sogleich im Zimmer.
»Was schreist du so und reißt das Maul auf?« wandte er sich mit erstaunlicher Unhöflichkeit an Wroblewski.
»Du Rindvieh!« brüllte Pan Wroblewski.
»Ich ein Rindvieh? Und mit was für Karten hast du eben gespielt? Ich hatte dir ein neues Spiel gegeben, das hast du versteckt! Du hast mit falschen Karten gespielt! Ich kann dich für die falschen Karten nach Sibirien bringen, weißt du das? Denn das ist dasselbe wie falsches Geld ...«
Und er trat ans Sofa, steckte die Finger zwischen Lehne und Sitzpolster und zog ein unentsiegeltes Spiel Karten heraus.
»Da ist mein Spiel, es ist noch gar nicht aufgemacht!« Er hob es hoch und zeigte es herum. »Ich habe gesehen, wie er mein Spiel in die Ritze steckte und seins dafür unterschob ... Ein Betrüger bist du, und kein Pan!«
»Und ich habe gesehen, wie der andere Pan zweimal gemogelt hat!« rief Kalganow.
»Pfui Teufel, welche Schande!« rief Gruschenka und schlug die Hände zusammen. »Mein Gott, was für ein Mensch ist das geworden!«
»Ich hatte mir das schon gedacht!« rief Mitja. Aber er hatte das noch nicht ganz ausgesprochen, da wandte sich Pan Wroblewski verwirrt und wütend an Gruschenka, drohte ihr mit der Faust und schrie sie an:
»Öffentliche Hure!« Sofort stürzte sich Mitja auf ihn, umfaßte ihn mit den Armen, hob ihn in die Luft und trug ihn aus dem Saal in das Zimmer rechts, wo er eben erst mit den beiden gewesen war.
»Ich habe ihn da auf den Fußboden gelegt!« meldete er, als er, vor Aufregung keuchend, sogleich zurückkehrte. »Die Kanaille wollte sich noch wehren, doch keine Sorge, der kommt nicht wieder herein!«
Er machte den einen Türflügel zu, hielt den anderen weit offen und rief dem kleinen Polen
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