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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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zu: »Hochedler, belieben Sie nicht, ebenfalls dorthin zu gehen? Bitte sehr!«
    »Väterchen, Dmitri Fjodorowitsch!« rief Trifon Borissowitsch. »Nehmen Sie ihnen doch das Geld ab, das Sie verloren haben! Das ist ja dasselbe, wie wenn sie es Ihnen gestohlen hätten!«
    »Ich will meine fünfzig Rubel nicht wieder haben«, erklärte Kalganow.
    »Und auch ich meine zweihundert nicht!« rief Mitja. »Unter keinen Umständen – soll er sie zu seinem Trost behalten.«
    »Bravo, Mitja! Du bist ein Prachtmensch, Mitja!« rief Gruschenka; aus ihrer Stimme sprach noch die starke Empörung.
    Der kleine Pole, der vor Wut dunkelrot geworden war, ohne aber im geringsten von seiner würdevollen Haltung einzubüßen, ging zur Tür, blieb dann jedoch stehen und sagte zu Gruschenka: »Pani, wenn du mit mir kommen willst, so komm! Wenn nicht, dann lebe wohl!«
    Und mit großartiger Miene, schnaufend vor Empörung und verletztem Ehrgefühl, ging er hinaus. Er war ein Mann von festem Charakter; selbst nach allem, was vorhergegangen war, hatte er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die Pani würde mit ihm kommen – so hoch schätzte er sich ein. Mitja schlug die Tür hinter ihm zu.
    »Schließen Sie die beiden doch ein!« sagte Kalganow. Aber man hörte, wie der Schlüssel von der anderen Seite gedreht wurde; sie hatten sich selbst eingeschlossen.
    »Bravo!« rief Gruschenka wieder boshaft und mitleidlos. »Bravo! Da gehören sie auch hin!«
8. Im Fieberwahn
    Nun begann eine Art Orgie, ein Gelage für jedermann. Gruschenka war die erste, die sich Wein geben ließ. »Ich will trinken, total betrinken will ich mich! Es soll sein wie voriges Mal, erinnerst du dich, Mitja? Erinnerst du dich, wie wir uns damals hier kennengelernt haben?« Mitja selbst war wie im Fieber und ahnte »sein Glück«. Gruschenka jagte ihn übrigens fortwährend von sich fort: »Geh, sei lustig! Sag ihnen, sie sollen tanzen, alle sollen lustig sein! Tanzen sollen Tisch und Bänke und der Ofen und die Schränke! Wie damals, wie damals!« rief sie. Sie war sehr erregt. Und Mitja lief, um alles anzuordnen. Der Chor hatte sich im Nebenzimmer versammelt. Das Zimmer, in dem sie bis dahin gesessen hatten, war zu eng, da es durch einen Kattunvorhang geteilt war; hinter dem Vorhang stand ein riesiges Bett mit einem dicken Federbett und mit einem Berg von Kissen in Baumwollbezügen. Betten standen nämlich in allen vier »guten Stuben« dieses Hauses. Gruschenka hatte direkt in der Tür Platz genommen; Mitja hatte ihr den Lehnstuhl dorthin getragen: Hier hatte sie auch »damals«, während ihres ersten Gelages, gesessen und dem Gesang zugehört und dem Tanz zugesehen. Die Mädchen, die sich jetzt versammelt hatten, waren dieselben wie damals. Die Juden mit den Geigen und Zithern hatten sich ebenfalls eingefunden, und endlich war auch der sehnlich erwartete dreispännige Wagen mit den Weinen und den Lebensmitteln eingetroffen. Mitja war in geschäftiger Bewegung. Auch Unbeteiligte kamen herein, um zuzuschauen, Bauern und Bauersfrauen, die sich zwar schon schlafen gelegt hatten, aber wieder aufgestanden waren, weil sie eine reiche Bewirtung witterten wie vor einem Monat. Mitja begrüßte und umarmte alle, die er kannte und an deren Gesichter er sich erinnerte, öffnete Flaschen und goß jedem ein, der ihm in die Nähe kam. Auf Champagner waren eigentlich nur die jungen Mädchen versessen; den Bauern sagten Rum und Kognak und besonders der heiße Punsch mehr zu. Mitja ordnete an, für alle Mädchen Schokolade zu kochen und drei Samoware die ganze Nacht über in Betrieb zu lassen, damit jeder Ankömmling Tee und Punsch bekommen konnte: Ein jeder sollte bewirtet werden. Kurz, es begann ein ausschweifendes, sinnloses Treiben; Mitja fühlte sich dabei in seinem Element, und je sinnloser es wurde, um so lebhafter und munterer wurde er. Hätte ihn irgendein Bauer in jenen Augenblicken um Geld gebeten, hätte er sogleich sein ganzes Päckchen Banknoten herausgezogen und nach rechts und links Geld verteilt, ohne zu zählen. Wahrscheinlich aus diesem Grund hielt sich der Wirt Trifon Borissowitsch fast wie eine Klette in seiner Nähe; er schien in dieser Nacht gänzlich auf Schlaf verzichten zu wollen, trank nur wenig, nur ein einziges Glas Punsch, und wachte auf seine Weise sorgsam über Mitjas Interessen. Sooft er es für nötig erachtete, hielt er ihn in knechtisch-freundlicher Manier zurück, redete auf ihn ein, ließ nicht zu, daß er wie »damals« die Bauern mit Zigarren und

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