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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Hauptsache und bat um Hilfe. Glücklicherweise schlief in dieser Nacht der Herumtreiber Foma bei ihnen im Haus. Er wurde im Nu auf die Beine gebracht, und alle drei liefen zum Ort des Verbrechens. Unterwegs erinnerte sich Marja Kondratjewna, daß sie vor einiger Zeit, zwischen acht und neun Uhr, einen lauten, durchdringenden Schrei aus Fjodor Pawlowitschs Garten gehört hatte; das war natürlich der Schrei Grigoris gewesen, als er, das Bein von Dmitri Fjodorowitsch festhaltend, gerufen hatte: »Vatermörder!« – »Da schrie einer allein und hörte dann gleich wieder auf!« erzählte Marja Kondratjewna im Laufen. Als sie an der Stelle angelangt waren, wo Grigori lag, trugen ihn die beiden Frauen mit Fomas Hilfe in das Seitengebäude. Sie machten Licht und sahen, daß sich Smerdjakow noch immer nicht beruhigt hatte, sondern um sich schlug, die Augen verdrehte und Schaum vor dem Mund hatte. Sie wuschen Grigoris Kopf mit Wasser, dem etwas Essig beigemischt war; davon kam er wieder zu Bewußtsein und fragte sogleich: »Ist der Herr ermordet oder nicht?« Die beiden Frauen und Foma gingen dann zum Herrn, und als sie in den Garten traten, sahen sie diesmal, daß nicht nur das Fenster, sondern auch die Tür zum Garten sperrangelweit offenstand, obwohl sich doch der Herr schon eine Woche lang persönlich allabendlich fest einschloß und sogar dem treuen Grigori strengstens verboten hatte, bei ihm zu klopfen. Angesichts der geöffneten Tür fürchteten sich die beiden Frauen und Foma, zum Herrn hineinzugehen, »damit das nicht unangenehme Folgen hat«. Sie kehrten zu Grigori zurück, und der befahl ihnen, unverzüglich zum Bezirkshauptmann selbst zu laufen. Diesen Auftrag führte Marja Kondratjewna aus; sie versetzte alle, die beim Bezirkshauptmann zusammen waren, in größte Aufregung. Und schon fünf Minuten später kam Pjotr Iljitsch dazu und brachte nicht bloß Vermutungen und Schlußfolgerungen, sondern bestärkte als Augenzeuge noch den allgemeinen Verdacht hinsichtlich der Person des Verbrechers. Übrigens hatte er sich in der Tiefe seiner Seele immer noch, bis zu diesem letzten Augenblick, gesträubt, daran zu glauben.
    Man beschloß, energisch zu handeln. Dem Gehilfen des städtischen Polizeimeisters wurde sogleich aufgetragen, vier Ortsbewohner als Zeugen zu beschaffen, dann drang man nach allen für solche Fälle vorgeschriebenen Regeln, die ich hier nicht näher darlegen will, in Fjodor Pawlowitschs Haus ein und nahm die Untersuchung an Ort und Stelle vor. Der Kreisarzt, der ein hitziges Temperament hatte und noch ein Neuling in seinem Amt war, drängte sich geradezu auf, den Bezirkshauptmann, den Staatsanwalt und den Untersuchungsrichter zu begleiten. In aller Kürze: Fjodor Pawlowitsch wurde tot aufgefunden, mit zertrümmertem Schädel. Womit war er zertrümmert worden? Wahrscheinlich mit demselben Instrument, mit dem später auch Grigori niedergeschlagen worden war. Und siehe da, man fand dieses Instrument, nachdem Grigori, dem alle mögliche ärztliche Hilfe zuteil wurde, ziemlich zusammenhängend, wenn auch mit schwacher, oft versagender Stimme von dem Überfall auf ihn berichtet hatte. Man suchte mit einer Laterne am Zaun und fand den Messingstößel, auffällig auf dem Gartenweg liegend. In dem Zimmer, in dem Fjodor Pawlowitsch lag, bemerkte man keine besondere Unordnung; aber hinter dem Wandschirm, an seinem Bett, hob man vom Fußboden ein großes Kuvert aus dickem Papier in Kanzleiformat auf, mit der Aufschrift: »Ein kleines Geschenk von dreitausend Rubel für meinen Engel Gruschenka, wenn sie zu mir kommt.« Weiter unten stand, offenbar etwas später von Fjodor Pawlowitsch selbst hinzugeschrieben: »Für mein liebes Kücken.« Auf dem Kuvert waren drei große Siegel aus rotem Siegellack; doch das Kuvert war schon aufgerissen und leer – das Geld war herausgenommen. Man fand auf dem Fußboden auch ein dünnes rosa Bändchen, mit dem das Kuvert umwickelt gewesen war. Von Pjotr Iljitschs Aussagen machte auf Staatsanwalt und Untersuchungsrichter vor allem ein Moment einen außerordentlich starken Eindruck: nämlich die Vermutung, daß sich Dmitri Fjodorowitsch bei Tagesanbruch bestimmt erschießen werde. Er selbst hatte ja diesen Entschluß Pjotr Iljitsch gegenüber geäußert, die Pistole in seiner Gegenwart geladen, einen Zettel geschrieben und in die Tasche gesteckt, und so weiter und so fort. Und als ihm Pjotr Iljitsch, der ihm noch immer nicht hatte glauben wollen, drohte, er werde gehen und es

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