Die Brüder Karamasow
doch nicht Pferdchen spielen wollen?«
»Betrachten Sie doch die Sache einmal so«, erwiderte Aljoscha lächelnd. »Die Erwachsenen gehen ins Theater. Im Theater werden ebenfalls die Abenteuer aller möglichen Helden dargestellt, und manchmal kommen dabei auch Räuber und Krieg vor, ist das in seiner Art nicht dasselbe? Und wenn die jungen Leute in den Unterrichtspausen Krieg oder Räuber spielen, dann ist das auch in der Entwicklung begriffene Kunst, ein erwachendes Kunstbedürfnis. Und diese Spiele sind manchmal sogar besser arrangiert als die Vorstellung im Theater. Der Unterschied besteht nur darin, daß man ins Theater geht, um Schauspieler zu sehen, während hier die jungen Leute selbst die Schauspieler sind. Aber das macht die Sache erst recht natürlich.«
»Denken Sie so darüber? Ist das ihre Überzeugung?« sagte Kolja und sah ihn unverwandt an. »Wissen Sie, Sie haben da einen sehr interessanten Gedanken ausgesprochen. Wenn ich jetzt nach Hause komme, werde ich ihn durchdenken. Ich muß gestehen, ich hatte auch erwartet, daß ich von ihnen manches lernen kann ... Ich bin gekommen, um von ihnen zu lernen, Karamasow«, schloß Kolja aufrichtig und offenherzig.
»Und ich von ihnen«, erwiderte Aljoscha lächelnd und drückte ihm die Hand.
Kolja war mit Aljoscha höchst zufrieden. Es gefiel ihm sehr, daß dieser mit ihm auf gleichem Fuß verkehrte und mit ihm wie mit einem Erwachsenen sprach.
»Ich werde ihnen gleich ein Kunststück zeigen, Karamasow! Auch eine Theatervorstellung«, sagte er nervös lachend. »Zu diesem Zweck bin ich hergekommen.«
»Wir wollen zuerst zu den Wirtsleuten gehen, dort haben ihre Kameraden ihre Mäntel gelassen, weil es in der anderen Stube eng und heiß ist.«
»Oh, ich bin nur für einen Augenblick gekommen, ich werde den Mantel anbehalten und so dasitzen. Pereswon wird hier auf dem Flur bleiben und sterben. Ici, Pereswon, leg dich und stirb! – Sehen Sie, nun ist er gestorben ... Ich will erst einmal hineingehen und mir die Situation ansehen, und dann, wenn der richtige Moment da ist, werde ich pfeifen, und Sie werden sehen, Pereswon wird sofort wie toll hereingestürmt kommen. Nur darf Smurow nicht vergessen, rechtzeitig die Tür aufzumachen. Nun, ich werde schon alles arrangieren, und Sie werden ein famoses Kunststück sehen ...«
5. An Iljuschas Bett
In der uns bereits bekannten Stube, in der die Familie des Stabskapitäns a. D. Snegirjow wohnte, war es in diesem Augenblick infolge des zahlreichen Besuchs schwül und eng. Eine ganze Anzahl Jungen saßen diesmal bei Iljuscha, und obgleich sie alle sowie Smurow bestritten hätten, daß Aljoscha sie hergebracht und mit Iljuscha versöhnt habe, war es doch so. Seine ganze Kunst hatte in diesem Fall darin bestanden, daß er sie nacheinander zu Iljuscha geführt hatte, ohne »kalbrige Zärtlichkeiten« und anscheinend ganz unabsichtlich und zufällig. Dem Kranken hatte dies eine große Erleichterung gebracht. Er war gerührt, als er die beinahe zärtliche Teilnahme und Freundschaft aller dieser seiner früheren »Feinde« sah. Nur Krassotkin fehlte noch, und das lag ihm wie eine schwere Last auf dem Herzen. Wenn in Iljuschetschkas Erinnerungen etwas besonders Bitteres war, so dieser Vorfall mit Krassotkin, seinem früheren einzigen Freund und Beschützer, auf den er sich mit dem Messer gestürzt hatte. So dachte auch der kluge Knabe Smurow; er war als erster zu Iljuscha gekommen, um sich mit ihm zu versöhnen. Krassotkin selbst hatte allerdings, als Smurow ihm andeutete, Aljoscha wolle »in einer gewissen Angelegenheit« zu ihm kommen, sogleich kurz abgebrochen und den Plan zunichte gemacht, indem er Karamasow bestellen ließ, er, Krassotkin, wisse selber, was er zu tun habe; er bitte niemanden um Rat und werde schon selber den richtigen Zeitpunkt wählen, wenn er zu dem Kranken gehen wolle: er habe »seinen eigenen Plan«. Das war etwa zwei Wochen vor diesem Sonntag. Hierin war auch der Grund zu suchen, weshalb Aljoscha nicht selbst zu ihm gegangen war, wie er anfänglich beabsichtigt hatte. Statt dessen hatte er den kleinen Smurow noch einmal und dann noch einmal zu Krassotkin geschickt. Aber diese beiden Male hatte Krassotkin schon mit einer sehr schroffen Absage geantwortet und Aljoscha bestellen lassen, sollte er ihn persönlich abholen kommen, würde das bewirken, daß er dann überhaupt nie zu Iljuscha gehen würde; man möge ihn also nicht weiter belästigen. Sogar kurz vorher hatte Smurow noch nicht gewußt,
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