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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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»Stellen Sie sich vor, ich habe gedacht, gerade jetzt mehrere Male gedacht, Sie verachten mich! Wenn Sie wüßten, welchen großen Wert ich auf ihr Urteil lege!«
    »Sind Sie wirklich so mißtrauisch? In ihrem Alter? Denken Sie: Als ich Sie dort im Zimmer ansah, habe ich gedacht, Sie müßten wohl sehr mißtrauisch sein.«
    »Sie haben das schon gedacht? Was haben Sie für gute Augen, sehen Sie mal! Ich möchte wetten, daß es an der Stelle war, wo ich von der Gans erzählte. An dieser Stelle schien es mir, als ob Sie mich tief verachteten, weil ich mich als forschen Kerl hinzustellen suchte! Ich hatte sogar plötzlich einen Haß auf Sie und begann Unsinn zu reden. Später, als wir schon hier draußen waren, an der Stelle, wo ich sagte: ›Wenn Gott nicht existierte, müßte man ihn erfinden‹, da schien es mir, als sei ich zu sehr bemüht, meine Bildung herauszukehren, zumal ich diese Phrase in einem Buch gelesen habe! Aber ich versichere ihnen, ich versuchte nicht aus Eitelkeit meine Bildung herauszukehren, sondern nur so, ich weiß nicht weshalb, vor Freude, weiß Gott, sozusagen vor Freude ... Obgleich das auch wieder ein beschämender Charakterzug ist, wenn sich jemand allen Leuten vor Freude an den Hals wirft. Ich weiß das. Dafür bin ich nun aber überzeugt, daß Sie mich nicht verachten und ich mir das alles nur eingebildet habe ... Oh, Karamasow, ich bin sehr unglücklich! Ich stelle mir manchmal Gott weiß was vor: daß alle Leute über mich lachen, daß die ganze Welt über mich lacht, und dann möchte ich am liebsten die ganze Weltordnung vernichten!«
    »Und dann quälen Sie die Menschen ihrer Umgebung«, bemerkte Aljoscha lächelnd.
    »Und dann quäle ich die Menschen meiner Umgebung, besonders meine Mutter ... Sagen Sie mal, Karamasow, bin ich jetzt sehr lächerlich?«
    »Denken Sie doch nicht so etwas!« rief Aljoscha. »Und was hat es denn auf sich, wenn man lächerlich ist? Als ob es so selten vorkäme, daß ein Mensch lächerlich ist oder lächerlich scheint! Heutzutage haben fast alle befähigten Menschen eine große Furcht, lächerlich zu erscheinen, und werden dadurch unglücklich. Ich wundere mich nur, daß Sie so früh dahin gekommen sind, so zu fühlen; allerdings bemerke ich das schon länger an jungen Leuten, nicht an ihnen allein. Heutzutage leiden sogar viele, die fast noch Kinder sind, unter dieser Furcht. Das ist beinahe eine Manie ... In diesem Ehrgeiz hat sich der Teufel verkörpert und in die ganze Generation eingeschlichen, jawohl der Teufel!« fügte Aljoscha hinzu, ohne das geringste Lächeln, das Kolja eigentlich erwartet hatte. »Sie sind eben wie alle«, schloß Aljoscha. »Das heißt wie sehr viele. Man muß aber nicht so sein wie alle: darum geht es!«
    »Obwohl alle so sind?«
    »Ja, obwohl alle so sind. Seien Sie doch der einzige, der nicht so ist! Sie sind doch in der Tat anders als alle: Sie haben sich nicht geschämt zu bekennen, daß Sie schlecht und sogar lächerlich sind. Wer gesteht denn heutzutage so etwas ein? Niemand, die Menschen fühlen nicht einmal mehr das Bedürfnis nach Selbstkritik. Seien Sie anders als alle! Und wenn Sie der einzige sind, der anders ist – seien Sie anders!«
    »Großartig! Ich habe mich in ihnen nicht getäuscht! Sie sind imstande, einen zu trösten. Oh, wie es mich zu ihnen hingezogen hat, Karamasow! Wie lange habe ich mir schon eine Begegnung mit ihnen gewünscht! Hatten Sie auch schon an mich gedacht? Vorhin sagten Sie, Sie hätten auch schon an mich gedacht.«
    »Ja, ich hatte von ihnen gehört und habe ebenfalls an Sie gedacht ... Wenn es auch zum Teil Ehrgeiz ist, was Sie jetzt zu dieser Frage veranlaßt, das macht nichts.«
    »Wissen Sie, Karamasow, unsere Aussprache hat Ähnlichkeit mit einer Liebeserklärung«, sagte Kolja verschämt. »Ist das auch nicht lächerlich, nein?«
    »Das ist ganz und gar nicht lächerlich. Und selbst wenn es lächerlich wäre, würde das nichts schaden, weil es gut ist und schön«, erwiderte Aljoscha heiter.
    »Wissen Sie, Karamasow, geben Sie doch zu, daß Sie sich jetzt auch ein bißchen schämen ... Ich sehe ihnen das an den Augen an«, sagte Kolja mit einem schlauen, aber beinahe glückseligen Lächeln.
    »Weswegen sollte ich mich denn schämen?«
    »Warum sind Sie denn rot geworden?«
    »Daran sind Sie schuld, daß ich rot geworden bin!« erwiderte Aljoscha lachend und errötete wirklich über das ganze Gesicht. »Nun ja, ein bißchen schäme ich mich, Gott weiß weswegen, ich weiß es nicht

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