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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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einer russischen Übersetzung ... In einer alten, gräßlichen Übersetzung ...« ›Schon wieder, schon wieder!‹
    »Und haben Sie alles verstanden?«
    »O ja, alles ... Das heißt ... Warum sollte ich es nicht verstanden haben? Es sind zwar viele Unsauberkeiten enthalten ... Doch ich bin natürlich imstande zu begreifen, daß es ein philosophischer Roman ist, der geschrieben wurde um einer Idee willen ...« Kolja war bereits vollständig verwirrt. »Ich bin Sozialist, Karamasow! Ich bin ein unverbesserlicher Sozialist«, fügte er plötzlich ohne verständlichen Grund übergangslos hinzu.
    »Sozialist?« erwiderte lachend Aljoscha. »Wann haben Sie denn das geschafft? Sie sind doch erst dreizehn, glaube ich?«
    Kolja wand sich innerlich geradezu.
    »Erstens nicht dreizehn, sondern vierzehn, in zwei Wochen vierzehn«, erwiderte er mit feuerrotem Kopf. »Und zweitens verstehe ich absolut nicht, was mein Alter damit zu tun hat. Es handelt sich darum, welche Ansichten ich habe – und nicht, wie alt ich bin, nicht wahr?«
    »Wenn Sie älter sind, werden Sie selbst einsehen, welche Bedeutung das Alter für die Ansichten hat. Mir schien sogar, Sie gäben die Worte anderer wieder«, antwortete Aljoscha bescheiden und ruhig; doch Kolja unterbrach ihn hitzig.
    »Ich bitte Sie, Sie verlangen Gehorsam und Mystizismus! Sie müssen doch selbst zugeben, daß zum Beispiel das Christentum den Reichen und Vornehmen nur dazu gedient hat, die niedere Klasse in Sklaverei zu halten, nicht wahr?«
    »Ach, ich weiß, wo Sie das gelesen haben! Oder jemand hat ihnen diese Lehren vorgetragen!« rief Aljoscha.
    »Ich bitte Sie, warum soll ich das unbedingt gelesen haben? Auch hat mir niemand diese Lehren vorgetragen. Ich kann doch auch selbst ... Und meinetwegen – ich bin nicht gegen Christus. Er war eine durchaus humane Persönlichkeit, und wenn er zu unserer Zeit lebte, würde er sich geradewegs den Revolutionären anschließen und vielleicht eine bedeutende Rolle spielen ... Das ist sogar sicher.«
    »Na, wo haben Sie denn das aufgeschnappt? Mit welchem Dummkopf haben Sie sich denn abgegeben?« rief Aljoscha.
    »Ich bitte Sie, die Wahrheit kann man nicht verbergen. Ich rede allerdings aus bestimmten Gründen häufig mit Herrn Rakitin, aber, ... Das soll auch schon Belinski gesagt haben.«
    »Belinski, ich erinnere mich nicht. Das hat er nirgends geschrieben.«
    »Wenn er es nicht geschrieben hat, war es vielleicht ein mündlicher Ausspruch von ihm. Ich habe es von jemandem gehört ... Ach, weiß der Teufel ...«
    »Belinski haben Sie jedenfalls gelesen?«
    »Sehen Sie, nein ... Ich habe ihn nicht ganz gelesen ... Aber die Stelle über Tatjana, warum sie nicht mit Onegin in intimen Verkehr trat, die habe ich gelesen.«
    »Sie sagen: ›Warum sie nicht mit Onegin in intimen Verkehr trat!‹ Verstehen Sie das etwa schon?«
    »Ich bitte Sie! Sie scheinen mich für den kleinen Smurow zu halten!« lächelte Kolja gereizt. »Glauben Sie übrigens bitte nicht, daß ich ein allzu schlimmer Revolutionär wäre. Ich bin sehr oft anderer Meinung als Herr Rakitin. Wenn ich das über Tatjana sage, so bin ich durchaus nicht für die Emanzipation der Frau. Ich gebe zu, daß die Frau ein untergeordnetes Wesen ist und gehorchen muß. Les femmes tricotent, wie Napoleon sagte ... Zumindest in diesem Punkt teile ich vollkommen die Anschauung dieses pseudogroßen Mannes. Ich glaube zum Beispiel auch, daß es eine Gemeinheit ist, aus dem Vaterland nach Amerika zu gehen, oder schlimmer als eine Gemeinheit, eine Dummheit. Warum nach Amerika gehen, wo man auch bei uns der Menschheit viel Nutzen bringen kann? Besonders jetzt. Es bietet sich einem doch eine Masse fruchtbringender Tätigkeit an. In diesem Sinne habe ich auch geantwortet.«
    »Geantwortet? Wem? Hat Sie schon jemand aufgefordert, nach Amerika zu gehen?«
    »Ich muß gestehen, daß man mich dazu veranlassen wollte, doch ich habe abgelehnt. Dies natürlich nur unter uns, Karamasow, hören Sie! Davon zu niemandem ein Wort! Das sage ich nur ihnen. Ich habe kein Verlangen, in die Klauen der Dritten Abteilung zu fallen und Lektionen an der Kettenbrücke zu nehmen.
    Das Bauwerk an der Kettenbrücke vergißt,
wer drinnen war, nicht leicht!
    Erinnern Sie sich an die Stelle? Großartig gesagt! Worüber lachen Sie? Sie denken doch wohl nicht, daß ich Ihnen das alles vorgeschwindelt habe?« ›Wie, wenn er erfährt, daß im Bücherschrank meines Vaters nur diese eine Nummer des »Kolokol« vorhanden ist und

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