Die Brüder Karamasow
Bett zurechtgemacht, auf dem im Schlafrock und baumwollener Nachtmütze, offenbar krank und matt, obwohl auch jetzt süßlich lächelnd, Maximow halb lag und halb saß. Dieser heimatlose alte Mann war, als er vor einem Monat mit Gruschenka aus Mokroje gekommen war, einfach bei ihr geblieben. Als er damals mit ihr in Regen und Schmutz angekommen war, setzte er sich, durchnäßt und ängstlich, auf das Sofa und blickte sie schweigend mit einem schüchternen, bittenden Lächeln an. Gruschenka, die großen Kummer hatte und bei der sich schon das Fieber ankündigte, vergaß ihn in der ersten halben Stunde nach der Ankunft fast gänzlich; dann sah sie ihn sich an; und er kicherte ihr kläglich und fassungslos ins Gesicht. Sie rief Fenja und befahl ihr, ihm etwas zu essen zu geben. Den ganzen Tag saß er auf seinem Platz, ohne sich zu rühren; als es dunkel wurde und die Fensterläden zugemacht wurden, fragte Fenja ihre Herrin: »Wie ist es, gnädiges Fräulein, wird er auch die Nacht hierbleiben?«
»Ja, mach ihm ein Bett auf dem Sofa zurecht!« antwortete Gruschenka.
Auf genauere Fragen erfuhr Gruschenka von ihm, daß er tatsächlich nicht wußte, wo er jetzt bleiben sollte! »Mein Wohltäter, Herr Kalganow«, sagte er, »hat mir geradeheraus erklärt, er wolle mich nicht mehr aufnehmen, und hat mir fünf Rubel geschenkt.«
»Na, dann bleib in Gottes Namen hier!« entschied Gruschenka und lächelte ihm mitleidig zu. Der Alte bekam davon ein Zucken im Körper, seine Lippen bebten, und er fing vor Dankbarkeit an zu weinen. So blieb also der vagabundierende Schmarotzer bei ihr. Selbst während ihrer Krankheit verließ er das Haus nicht. Fenja und ihre Mutter, Gruschenkas Köchin, jagten ihn nicht weg, sondern gaben ihm weiter zu essen und machten ihm weiterhin ein Bett auf dem Sofa zurecht. Allmählich gewöhnte sich Gruschenka sogar an ihn, und wenn sie von Mitja zurückkam (den sie, kaum genesen, ja noch ehe sie ordentlich gesund war, sofort besuchen ging), setzte sie sich hin und begann mit »Maximuschka« über allerlei Nichtigkeiten zu reden, nur um ihren Schmerz zu betäuben. Es stellte sich heraus, daß der Alte manchmal auch leidlich zu erzählen wußte, so daß er ihr schließlich unentbehrlich wurde. Außer Aljoscha, der jedoch nicht täglich und immer nur auf kurze Zeit kam, empfing Gruschenka fast niemand. Ihr alter Kaufmann lag zu dieser Zeit schon schwerkrank darnieder; er »war im Abgehen«, wie man in der Stadt sagte, und starb tatsächlich eine Woche nach der Gerichtsverhandlung über Mitja. Drei Wochen vor seinem Tode, als er fühlte, daß sein Ende nahe war, rief er endlich seine Söhne mit ihren Frauen und Kindern zu sich nach oben und befahl ihnen, nicht mehr von ihm wegzugehen. Ferner gab er den Dienern strengen Befehl, Gruschenka von nun an nicht mehr vorzulassen und ihr zu sagen: »Der Herr läßt Ihnen ein langes, fröhliches Leben wünschen, und Sie möchten ihn ganz und gar vergessen,« Doch Gruschenka schickte fast täglich hin, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
»Endlich ist er da!« rief sie, warf die Karten hin und begrüßte Aljoscha freudig! »Und Maximuschka hatte mir schon einen Schreck eingejagt, du würdest am Ende gar nicht kommen. Ach, ich brauche dich so! Setz dich an den Tisch. Was möchtest du, Kaffee?«
»Meinetwegen«, erwiderte Aljoscha, während er am Tisch Platz nahm! »Ich bin sehr hungrig.«
»Das ist ja schön. Fenja, Fenja, den Kaffee!« rief Gruschenka! »Er kocht schon lange und wartet auf dich ... Und bringt auch die Pasteten herein, du mußt sie aber vorher heiß machen! Weißt du, Aljoscha, mit diesen Pasteten habe ich heute einen großen Krach erlebt. Ich brachte sie ihm ins Gefängnis, aber er schob sie zurück und hat keine davon gegessen. Eine Pastete warf er sogar auf den Fußboden und trat mit den Füßen darauf. Ich sagte zu ihm: ›Ich werde sie beim Wächter lassen. Wenn du sie bis zum Abend nicht ißt, bedeutet das, du nährst dich von deiner giftigen Bosheit.‹ Und mit diesen Worten ging ich weg. Wir haben uns wieder gezankt, kannst du dir das vorstellen? Sooft ich zu ihm komme, zanken wir uns!«
Gruschenka sprudelte das alles in ihrer Erregung nur so heraus. Maximow lächelte sofort ängstlich und schlug die Augen nieder.
»Weswegen habt ihr euch diesmal gezankt?« fragte Aljoscha.
»Aus einem ganz unerwarteten Grund! Stell dir vor, er ist auf meinen ›Früheren‹ eifersüchtig geworden. Er sagt: ›Warum unterstützt du ihn? Du hast
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