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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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hat vielleicht gerade auf das Säckchen gezeigt, in dem diese fünfzehnhundert Rubel eingenäht waren?«
    »Ganz richtig!« rief Mitja auf einmal. »So war es, Aljoscha! So war es! Ich schlug damals mit der Faust an das Säckchen.«
    Fetjukowitsch stürzte eilig zu ihm hin, flehte ihn an, sich zu beruhigen, und krallte sich im Nu mit seinen Fragen an Aljoscha fest. Aljoscha, durch seine Erinnerung selbst ganz hingerissen, sprach mit Feuereifer seine Vermutung aus, die Schmach habe höchstwahrscheinlich darin bestanden, daß er, obgleich er die fünfzehnhundert Rubel bei sich trug und sie Katerina Iwanowna hätte zurückgeben können, sich dennoch entschlossen hatte, ihr diese Hälfte nicht zurückzugeben, sondern zu einem anderen Zweck zu verwenden, das heißt zur Entführung Gruschenkas, wenn diese damit einverstanden war ...
    »So war es, genauso war es!« rief Aljoscha in lebhafter Erregung. »Genau das rief mir mein Bruder damals zu! Er könne die Hälfte, die Hälfte der Schmach, er wiederholte mehrmals: die Hälfte, sofort loswerden, sei aber durch die Schwäche seines Charakters so unglücklich, daß er es nicht tun werde ... Er wisse im voraus, daß er es nicht könne und nicht die Kraft habe, es zu tun!«
    »Und Sie erinnern sich bestimmt, daß er sich gerade auf diese Stelle der Brust schlug?« fragte Fetjukowitsch eifrig.
    »Ja, daran erinnere ich mich bestimmt. Gerade weil mir damals der Gedanke kam: Warum schlägt er denn so hoch, das Herz sitzt doch tiefer! Und weil mir dieser Gedanke damals dumm erschien ... Ich erinnere mich genau, daß er mir dumm erschien ... Das ist auch der Grund, weshalb ich mich erst jetzt eben daran erinnert habe! Wie habe ich das nur bisher vergessen können! Eben auf dieses Säckchen wies er hin, als wollte er sagen, er besitze zwar die Mittel, werde die fünfzehnhundert Rubel jedoch nicht zurückgeben! Und ich weiß auch, es ist mir berichtet worden: Auch bei seiner Verhaftung in Mokroje hat er ausgerufen, er halte es für die schmählichste Tat seines Lebens, daß er, obgleich er die Mittel gehabt habe, die Hälfte seiner Schuld – jawohl, die Hälfte! – an Katerina Iwanowna zurückzugeben und nicht mehr als Dieb vor ihr dazustehen, sich trotzdem nicht zur Rückgabe entschlossen und in ihren Augen lieber habe ein Dieb bleiben wollen, als sich von dem Geld trennen! Aber wie hat er sich gequält, wie hat er sich gequält wegen dieser Schuld!« rief Aljoscha am Schluß seiner Aussage.
    Selbstverständlich mischte sich auch der Staatsanwalt ein. Er ersuchte Aljoscha, noch einmal zu schildern, wie sich das alles zugetragen hatte, und fragte dann mehrmals beharrlich, ob es ihm wirklich so vorgekommen sei, als ob der Angeklagte auf etwas hinwies. Vielleicht habe er sich einfach mit der Faust an die Brust geschlagen?
    »Er schlug gar nicht mit der Faust«, rief Aljoscha. »Er zeigte mit den Fingern, und zwar sehr weit oben ... Wie konnte ich das nur bis jetzt so völlig vergessen!«
    Der Präsident wandte sich an Mitja mit der Frage, was er zu der soeben abgegebenen Aussage zu bemerken habe. Mitja bestätigte, daß alles genauso gewesen sei: Er habe wirklich auf seine fünfzehnhundert Rubel hingewiesen, die er auf der Brust getragen habe, gleich unter dem Hals. Das sei allerdings eine Schmach gewesen. »Eine Schmach, die ich nicht ableugne! Die schmählichste Handlung meines ganzen Lebens!« rief Mitja aus. »Ich hatte die Wahl, es zurückzugeben oder nicht. Ich zog es vor, in ihren Augen ein Dieb zu bleiben, und gab es nicht zurück. Die größte Schmach aber bestand darin, daß ich vorher wußte, ich würde es nicht zurückgeben! Aljoscha hat recht! Ich danke dir, Aljoscha!«
    Damit war Aljoschas Vernehmung beendet. Wichtig war der Umstand, daß sich wenigstens eine Tatsache gefunden hatte, die – wenn auch nur als ganz schwacher Beweis, fast nur als Andeutung eines Beweises – doch immerhin ein wenig bezeugte, daß dieses Säckchen mit den fünfzehnhundert Rubeln darin tatsächlich existiert und daß der Angeklagte bei der Voruntersuchung in Mokroje nicht gelogen hatte. Aljoscha war froh; vor Erregung ganz rot im Gesicht, setzte er sich auf den ihm angewiesenen Platz. Noch lange sagte er sich immer wieder im stillen: ›Daß ich das vergessen hatte! Wie habe ich das nur vergessen können? Und daß es mir so plötzlich erst jetzt eingefallen ist!‹
    Es begann die Vernehmung Katerina Iwanownas. Bei ihrem Erscheinen ging im Saal etwas Ungewöhnliches vor. Die Damen griffen zu

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