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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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– denn nicht er hat meinen Vater ermordet«, schloß Aljoscha mit fester, durch den ganzen Saal vernehmlicher Stimme.
    Der Staatsanwalt zuckte zusammen wie ein Schlachtpferd, das ein Trompetensignal hört.
    »Seien Sie versichert, daß ich durchaus an die Aufrichtigkeit Ihrer Überzeugung glaube und daß ich diese Ihre Überzeugung keineswegs nur als ein Produkt oder einen Ausfluß Ihrer Liebe zu ihrem unglücklichen Bruder betrachte. Ihre eigenartige Auffassung von dem ganzen tragischen Vorgang, der sich in Ihrer Familie abgespielt hat, ist uns schon aus der Voruntersuchung bekannt. Ich verhehle Ihnen nicht, daß diese Anschauung vereinzelt dasteht und allen übrigen Angaben, die der Staatsanwaltschaft gemacht worden sind, widerspricht. Und darum halte ich es für notwendig, Sie nunmehr mit allem Nachdruck zu fragen, durch welche Tatsachen Sie zu der endgültigen Überzeugung von der Unschuld Ihres Bruders und der Schuld einer anderen Person kamen, auf die Sie bei der Voruntersuchung hingewiesen haben.«
    »Bei der Voruntersuchung habe ich nur auf die mir vorgelegten Fragen geantwortet«, sagte Aljoscha leise und ruhig. »Aber ich habe nicht selbst eine Beschuldigung gegen Smerdjakow ausgesprochen.«
    »Aber Sie haben doch auf ihn hingewiesen?«
    »Ich wies auf ihn hin auf Grund der Worte meines Bruders Dmitri. Es war mir schon vor meiner Vernehmung erzählt worden, was bei seiner Verhaftung geschehen war und wie er damals selbst auf Smerdjakow hingewiesen hatte. Ich glaube mit aller Bestimmtheit, daß mein Bruder unschuldig ist. Und wenn nicht er den Mord begangen hat ... »
    »So muß es Smerdjakow getan haben? Warum denn gerade Smerdjakow? Und warum sind Sie so fest von der Unschuld Ihres Bruders überzeugt?«
    »Ich mußte meinem Bruder aus innerer Notwendigkeit glauben. Ich weiß, daß er mich nicht belügt. Ich habe an seinem Gesicht gesehen, daß er mich nicht belog.«
    »Nur am Gesicht? Darin bestehen Ihre ganzen Beweise?«
    »Andere Beweise habe ich nicht.«
    »Und hinsichtlich der Schuld Smerdjakows stützen Sie sich ebenfalls auf keinen anderen Beweis als auf die Worte Ihres Bruders und den Ausdruck seines Gesichts?«
    »Einen anderen Beweis habe ich in der Tat nicht.«
    Damit brach der Staatsanwalt die Befragung ab. Aljoschas Antworten hatten beim Publikum große Enttäuschung hervorgerufen. Über Smerdjakow war bei uns schon vor der Gerichtsverhandlung viel geredet worden; irgend jemand hatte irgend etwas gehört, irgend jemand wies auf irgend etwas hin; von Aljoscha hieß es, er habe überaus starke Beweise zugunsten seines Bruders und für die Schuld des Dieners vorzulegen – und da brachte er nun rein gar nichts vor, keinerlei Beweise außer moralischen Überzeugungen, die bei ihm als dem Bruder des Angeklagten nur allzu natürlich waren.
    Doch nun schaltete sich auch Fetjukowitsch ein. Bei der Antwort auf die Frage, wann der Angeklagte mit ihm, Aljoscha, über seinen Haß auf den Vater gesprochen und angedeutet habe, daß er ihn vielleicht einmal totschlagen würde, und was er von ihm bei ihrem letzten Zusammensein vor der Katastrophe gehört habe, fuhr Aljoscha plötzlich zusammen, als ob er sich erst jetzt an etwas erinnerte.
    »Ich erinnere mich jetzt an einen Umstand, den ich beinahe ganz vergessen hatte; damals war er mir ganz unverständlich, doch jetzt ...«
    Und Aljoscha erzählte mit größtem Eifer, an dem man sah, daß er wirklich eben erst auf diesen Gedanken gekommen war, wie sich Mitja bei ihrem letzten Zusammensein am Abend, auf dem Weg zum Kloster, an die Brust, »an den oberen Teil der Brust«, geschlagen und mehrmals wiederholt habe, er besitze ein Mittel, um seine Ehre wiederherzustellen; dieses Mittel befinde sich hier, hier auf seiner Brust ... »Ich dachte damals, er spräche von seinem Herzen«, fuhr Aljoscha fort. »Daß er in seinem Herzen die Kraft finden könnte, einer schrecklichen Schmach zu entgehen, die er nicht einmal mir zu bekennen wagte. Ich muß gestehen, ich dachte damals, er rede vom Vater und zittere wie vor einer Schmach bei dem Gedanken, zu ihm zu gehen und ihm Gewalt anzutun; und doch schien er damals auf etwas auf seiner Brust hinzuweisen, so daß mir, wie ich mich erinnere, gleich der Gedanke durch den Kopf ging, daß ja das Herz gar nicht an jener Stelle der Brust sitzt, sondern niedriger, während er sich viel höher, hier, gleich unter dem Hals an die Brust schlug und immer auf diesen Fleck deutete. Mein Gedanke kam mir damals dumm vor – aber er

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