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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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damit seine Tat für die Nachwelt und die junge Generation verewigt wird? Das Evangelium und die Religion werden korrigiert; das ist alles Mystik, heißt es. Nur bei uns, da ist das echte Christentum, das bereits von der gesunden Vernunft und Denkkraft kritisch überprüft wurde. Und dann führt man uns ein Trugbild Christi vor Augen! ›Mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen weiden‹, ruft der Verteidiger und behauptet im selben Augenblick, Christus habe befohlen, wir sollten mit dem Maß messen, mit welchem uns gemessen wird – und das behauptet er von der Tribüne der Wahrheit und der gesunden Vernunft! Wir werfen rasch einen Tag vor unseren Reden einen Blick in das Evangelium, um durch unsere Kenntnis dieses immerhin recht originellen Schriftwerkes zu glänzen, das je nach Bedarf zur Erzielung eines bestimmten Effektes taugen und dienen kann, immer je nach Bedarf! Doch Christus befiehlt ja gerade, wir sollen es nicht so machen, wir sollen uns hüten, es so zu machen, weil die böse Welt es so macht! Wir dagegen sollen verzeihen und unsere Backe darbieten, aber nicht mit demselben Maß messen, mit dem uns unsere Beleidiger messen. Das ist es, was uns unser Gott gelehrt hat, und nicht, daß es veraltet ist, wenn man den Kindern verbietet, ihre Väter zu ermorden. Wir werden es jedenfalls nicht unternehmen, von der Tribüne der Wahrheit und der gesunden Vernunft herab das Evangelium unseres Gottes zu korrigieren, den der Verteidiger nur der Bezeichnung ›gekreuzigter Menschenfreund‹ würdigt – im Gegensatz zum ganzen rechtgläubigen Rußland, das Ihm zuruft: ›Denn du bist unser Gott!‹«
    Da griff der Präsident ein und unterbrach den allzu hitzig gewordenen Redner, indem er ihn ersuchte, nicht zu übertreiben, innerhalb der gebührenden Grenzen zu bleiben, und so weiter und so fort, wie Präsidenten in solchen Fällen gewöhnlich sprechen. Auch der Saal war unruhig geworden; das Publikum war in Bewegung geraten und ließ sogar Ausrufe des Unwillens vernehmen. Fetjukowitsch ließ sich auf eine eigentliche Erwiderung gar nicht ein; er bestieg nur die Tribüne, um, die Hand auf dem Herzen, mit gekränkter Stimme einige würdevolle Worte zu sagen. Nur nebenbei und in spöttischem Ton berührte er noch einmal die »Dichtungen« und die »Psychologie« und schob an einer Stelle geschickt die Wendung ein: »Jupiter, du bist zornig, also hast du unrecht!« Dadurch rief er beifälliges Gelächter beim Publikum hervor, denn Ippolit Kirillowitsch hatte mit Jupiter nun gar keine Ähnlichkeit. Auf die Beschuldigung schließlich, er erlaube der jungen Generation, ihre Väter totzuschlagen, bemerkte Fetjukowitsch mit zutiefst verletzter Würde, darauf wolle er nichts erwidern. Zu dem »Trugbild Christi« und der Behauptung, er würdige Christus nicht der Bezeichnung »Gott«, sondern nur »gekreuzigter Menschenfreund«, was »im Widerspruch zur Rechtgläubigkeit« stehe und von der »Tribüne der Wahrheit und der gesunden Vernunft nicht proklamiert« werden dürfe, beschränkte sich Fetjukowitsch auf die kurze Bemerkung, das sei eine »Insinuation«; als er hierhergereist sei, habe er wenigstens damit gerechnet, daß die hiesige Tribüne gegen Anschuldigungen geschützt wäre, »die meiner Persönlichkeit als Bürger und loyalem Untertan gefährlich werden könnten ...« Doch bei diesen Worten unterbrach der Präsident auch ihn, und Fetjukowitsch schloß seine Antwort mit einer Verbeugung, worauf ein allgemeines Gemurmel des Beifalls im Saal eintrat. Ippolit Kirillowitsch aber war nach der Meinung unserer Damen »für alle Zeit erledigt«.
    Danach wurde das Wort dem Angeklagten selbst erteilt. Mitja erhob sich, sagte aber nur wenig. Er war furchtbar ermüdet, körperlich wie geistig. Das selbstbewußte, kraftvolle Aussehen vom Morgen hatte ihn fast ganz verlassen. Es war, als habe er an diesem Tag etwas erlebt, wodurch ihm sehr wichtige und bislang nicht begriffene Dinge für sein ganzes Leben klar und begreiflich geworden waren. Seine Stimme wirkte schwächer; er schrie nicht mehr wie vorher. Seine Worte hatten einen neuartigen Klang, so als ob er sich unterworfen habe, sich für besiegt erkläre und sich beuge.
    »Was soll ich sagen, meine Herren Geschworenen? Mein Gericht ist gekommen, ich fühle die Hand Gottes über mir. Für mich wüsten Menschen ist das Ende da! Aber als ob ich vor Gott beichtete, sage ich Ihnen: Am Blut meines Vaters – nein, daran bin ich unschuldig! Zum letztenmal wiederhole ich,

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