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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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es: Nicht ich habe den Mord begangen! Ich habe ein wüstes Leben geführt, aber ich habe das Gute geliebt. Jeden Augenblick bin ich bemüht gewesen, mich zu bessern, aber ich habe gelebt wie ein wildes Tier. Ich danke dem Staatsanwalt: Er hat vieles über mich gesagt, was ich nicht wußte. Aber es ist nicht wahr, daß ich meinen Vater getötet habe – darin hat sich der Staatsanwalt geirrt! Ich danke auch dem Verteidiger. Ich habe geweint, während ich ihm zuhörte. Aber es ist nicht wahr, daß ich meinen Vater getötet habe – diese Annahme war völlig überflüssig! Den Ärzten glauben Sie bitte nicht: Ich bin bei vollem Verstand, mir ist nur schwer ums Herz. Wenn Sie mit mir Mitleid haben, wenn Sie mich freisprechen, werde ich für Sie beten. Ich werde mich bessern, darauf gebe ich Ihnen mein Wort, vor Gott gebe ich Ihnen darauf mein Wort. Wenn Sie mich jedoch verurteilen, werde ich meinen Degen mit eigener Hand über meinem Kopf zerbrechen und die zerbrochenen Stücke küssen! Aber haben Sie Mitleid mit mir, nehmen Sie mir nicht meinen Gott! Ich kenne mich: Ich werde gegen ihn murren! Mir ist so schwer ums Herz, meine Herren ... Haben Sie Mitleid!«
    Er fiel fast auf seinen Platz zurück, die Stimme versagte ihm, den letzten Satz hatte er kaum noch herausbringen können. Anschließend schritt das Gericht zur Formulierung der Fragen und befragte die beiden Parteien nach ihren Schlußmeinungen; aber ich will hier nicht alle Einzelheiten wiedergeben. Endlich standen die Geschworenen auf, um sich zur Beratung zurückzuziehen. Der Präsident war sehr erschöpft und gab ihnen daher nur ein sehr schwaches Geleitwort mit: »Seien Sie unparteiisch, lassen Sie sich nicht durch die beredten Worte der Verteidigung beeinflussen, sondern wägen Sie selbst alles ab! Und vergessen Sie nicht, daß eine große Verantwortung auf Ihnen ruht«, und so weiter und so fort. Die Geschworenen entfernten sich, und es trat eine Unterbrechung der Sitzung ein. Man konnte aufstehen, umhergehen, die Eindrücke, die sich angesammelt hatten, miteinander austauschen und am Büfett etwas essen. Es war sehr spät, schon gegen ein Uhr nachts, doch niemand ging weg. Alle waren so erregt und gespannt, daß sie an Ruhe gar nicht dachten; alle warteten mit Herzklopfen auf den Ausgang der Sache, obwohl übrigens nicht alle Herzklopfen hatten. Die Damen waren nur krankhaft ungeduldig, fühlten sich aber im Innersten beruhigt: »Der Freispruch ist sicher!« Sie bereiteten sich alle auf den effektvollen Augenblick des allgemeinen Enthusiasmus vor. Ich muß gestehen, daß auch vom männlichen Teil des Publikums viele von dem sicheren Freispruch überzeugt waren. Manche freuten sich, andere sahen verdrießlich aus, wieder andere ließen geradezu die Köpfe hängen: Sie wünschten keinen Freispruch! Fetjukowitsch selbst war von seinem Erfolg fest überzeugt. Er wurde umringt, nahm Glückwünsche und Komplimente entgegen.
    »Es gibt«, sagte er in einer Gruppe, wie später wiedererzählt wurde, »unsichtbare Fäden, die den Verteidiger mit den Geschworenen verbinden. Schon während des Plädoyers knüpfen sie sich und werden spürbar. Ich habe sie gefühlt, sie sind vorhanden. Der Sieg ist unser, seien Sie ganz beruhigt!«
    »Was werden bloß unsere Bauern jetzt sagen?« bemerkte ein düster blickender, dicker, pockennarbiger Herr, ein Gutsbesitzer aus der Umgegend, während er sich einer Gruppe von Herren anschloß, die sich über den Fall unterhielten.
    »Aber es sind ja nicht nur Bauern. Vier Beamte gehören auch dazu.«
    »Ja gewiß, auch Beamte«, sagte ein Mitglied der Kreisverwaltung und trat näher.
    »Kennen Sie Prochor Iwanowitsch Nasarjew, diesen Kaufmann mit der Medaille? Er ist einer von den Geschworenen.«
    »Was ist mit dem?«
    »Ein kluges Haus.«
    »Der schweigt doch immer.«
    »Schweigen tut er freilich, aber das ist ja um so besser. Der wird sich von dem Petersburger nicht belehren lassen, der könnte selbst ganz Petersburg belehren. Kinder hat er zwölf Stück, denken Sie mal an!«
    »Aber ich bitte Sie, sie werden ihn doch nicht verurteilen?« rief in einer anderen Gruppe einer unserer jungen Beamten.
    »Sie werden ihn sicherlich freisprechen«, erwiderte eine entschiedene Stimme.
    »Es wäre eine Schmach und Schande, wenn sie ihn nicht frei sprechen würden!« rief der Beamte. »Meinetwegen mag er ihn totgeschlagen haben – aber Vater und Vater, das ist doch ein großer Unterschied. Und dann, er war ja doch ganz außer sich ...

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