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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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da die Obrigkeit selbst anwesend war, las er das Schriftstück auf der Stelle laut vor, und zwar mit einer vollständigen Beschreibung des Verbrechens, mit allen Einzelheiten! »Wie einen Unmenschen stoße ich mich selbst aus der Gemeinschaft der Menschen aus! Gott hat mich heimgesucht«, schloß das Schriftstück.«Ich will leiden!«
    Dann zog er alles aus der Tasche, was er vierzehn Jahre lang aufbewahrt hatte und womit er sein Verbrechen zu beweisen gedachte, und legte es auf den Tisch: die Goldsachen der Ermordeten, die er in der Absicht, den Verdacht von sich abzulenken, entwendet hatte, ihr Kreuz und ihr Medaillon mit dem Bild ihres Bräutigams, ihr Notizbuch und endlich zwei Briefe, einen Brief ihres Bräutigams mit der Nachricht von seiner baldigen Ankunft und ihre Antwort darauf, die sie angefangen, aber noch nicht zu Ende geschrieben und auf dem Tisch liegengelassen hatte, um sie am folgenden Tag zu beenden und abzuschicken. Beide Briefe hatte er an sich genommen – wozu eigentlich? Und wozu hatte er sie dann vierzehn Jahre lang aufbewahrt, statt sie als verräterische Beweisstücke zu vernichten?
    Und siehe da, was geschah nun? Alle staunten und erschraken, doch niemand wollte ihm glauben. Alle hatten zwar mit außerordentlichem Interesse zugehört, aber so, wie man einem Kranken zuhört, und einige Tage später stand bereits überall fest und wurde mit aller Bestimmtheit behauptet, der Unglückliche habe den Verstand verloren. Obrigkeit und Gericht konnten allerdings nicht umhin, einen Prozeß einzuleiten, doch auch sie verzögerten die Sache beträchtlich. Obgleich die vorgelegten Gegenstände und Briefe zu denken gaben, sagte man sich schließlich auch hier, selbst wenn sich diese Beweisstücke als echt erweisen würden, könne eine definitive Anklage auf Grund derselben dennoch nicht erhoben werden. Es bestehe immerhin die Möglichkeit, daß sie ihm als ihrem Bekannten alle diese Dinge anvertraut hatte. Ich hörte übrigens, daß die Echtheit der Gegenstände wenig später durch Bekannte und Verwandte der Ermordeten zweifelsfrei festgestellt worden ist. Aber wiederum war es dem Prozeß nicht beschieden, zu Ende geführt zu werden. Nach etwa fünf Tagen erfuhr man, der Mann sei erkrankt, und zwar lebensgefährlich. An welcher Krankheit er litt, kann ich nicht angeben. Es hieß, an einer Störung der Herztätigkeit, dann wurde jedoch bekannt, daß ein Konsilium von Ärzten auf dringenden Wunsch seiner Gattin auch seinen Geisteszustand untersucht hatte und zu der Ansicht gelangt war, es liege eine Geistesstörung vor. Ich verriet nichts, obgleich man mich mit Fragen bestürmte. Als ich ihn jedoch besuchen wollte, verwehrte man mir das lange, namentlich seine Gattin. »Sie sind es«, sagte sie, »der ihn verrückt gemacht hat! Er hat auch früher ein finsteres Wesen gehabt, und im letzten Jahr haben wir an ihm alle eine ungewöhnliche Erregung und seltsame Handlungen bemerkt, und ausgerechnet da müssen Sie kommen und ihn zugrunde richten! Sie haben ihn behext, er ist ja einen Monat lang nicht von Ihnen weggekommen!« Und nicht nur seine Frau, alle in der Stadt fielen über mich her und beschuldigten mich. »Sie sind an allem schuld!« sagten sie. Ich schwieg und freute mich innerlich, denn ich erkannte die unzweifelhafte Gnade Gottes ihm gegenüber, der von selbst gegen sich aufgestanden war und sich bestraft hatte. An seine Geistesgestörtheit konnte ich nicht glauben.
    Endlich ließ man auch mich zu ihm; er selbst hatte es dringend verlangt, um von mir Abschied zu nehmen. Ich trat ein und sah auf den ersten Blick, daß nicht seine Tage, sondern seine Stunden gezählt waren. Er war schwach, gelb, die Hände zitterten ihm, er konnte kaum atmen, doch seine Miene drückte Ergriffenheit und Freude aus.
    »Es ist vollbracht!« sagte er zu mir. »Schon lange hat es mich verlangt, dich zu sehen. Warum bist du nicht gekommen?«
    Ich sagte ihm nicht, daß man mich nicht zu ihm lassen wollte.
    »Gott hat sich meiner erbarmt und ruft mich zu sich. Ich weiß, daß mein Tod nahe ist, aber zum erstenmal nach so vielen Jahren erfüllen Freude und Frieden mein Herz. Sowie ich getan hatte, was notwendig war, fühlte ich in meiner Seele auch das Paradies. Jetzt darf ich schon meine Kinder lieben und küssen. Man glaubt mir nicht, niemand hat mir geglaubt, weder meine Frau noch meine Richter; auch meine Kinder werden es nie glauben. Ich sehe darin die Gnade Gottes gegenüber meinen Kindern. Ich werde sterben, und mein

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