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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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laut auf.
    »Du schreist?« brüllte Mitja. »Wo ist sie?«
    Und bevor die vor Schreck erstarrte Fenja antworten konnte, warf er sich ihr zu Füßen.
    »Fenja, um unseres Herrn Jesu Christi willen, sag mir, wo ist sie?«
    »Väterchen, ich weiß nichts! Täubchen Dmitri Fjodorowitsch, ich weiß nichts! Und wenn Sie mich totschlagen, ich weiß nichts!« schwor Fenja. »Sie sind ja selbst vorhin mit ihr weggegangen ...«
    »Sie ist zurückgekommen!«
    »Täubchen, sie ist nicht gekommen! Ich schwöre bei Gott, sie ist nicht gekommen!«
    »Du lügst!« schrie Mitja. »Schon an deinem Schreck merke ich, wo sie ist!«
    Er stürzte hinaus.
    Fenja war froh, daß sie so leicht davongekommen war; sie wußte allerdings sehr wohl, daß er nur keine Zeit gehabt hatte, sonst wäre es ihr vielleicht schlimm ergangen. Doch im Davonlaufen überraschte Mitja Fenja und die alte Matrjona durch eine unerwartete Handlung: Auf dem Tisch stand ein Mörser aus Messing und darin ein Stößel, ein kleiner Messingstößel, kaum eine Spanne lang. Als Mitja schon mit der einen Hand die Tür geöffnet hatte, nahm er plötzlich rasch mit der anderen Hand den Stößel aus dem Mörser, steckte ihn sich in die Seitentasche und war verschwunden.
    »O Gott, er will einen totschlagen!« rief Fenja und schlug die Hände zusammen.

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4.
In der Dunkelheit
     
    Wohin lief er? Fest steht: Wo sollte sie sein, wenn nicht bei Fjodor Pawlowitsch? Von Samsonow ist sie geradewegs zu ihm gelaufen, jetzt ist alles klar! Die ganze Intrige, der ganze Betrug liegt auf der Hand! ... Dieser Gedanke raste ihm wie ein Wirbelwind durch den Kopf. Zu Marja Kondratjewna auf den Hof wollte er nicht erst laufen. Das hat keinen Zweck, absolut keinen Zweck ... Nicht der geringste Alarm darf entstehen ... Die würde es sofort weitersagen ... Marja Kondratjewna gehört offenbar mit zu der Verschwörung, Smerdjakow ebenfalls, alle sind bestochen! In seinem Kopf entstand ein anderer Plan. Er eilte durch eine Seitengasse in großem Bogen um Fjodor Pawlowitschs Haus herum, lief durch die Dmitrowskajastraße, dann über eine kleine Brücke und gelangte auf diese Weise direkt in die menschenleere, unbewohnte Seitengasse hinter den Häusern, die auf der einen Seite von dem Flechtzaun des benachbarten Gemüsegartens und auf der anderen von dem hohen Plankenzaun um Fjodor Pawlowitschs Garten begrenzt wurde. Dort suchte er sich eine Stelle aus, und zwar offenbar dieselbe, wo einstmals auch Lisaweta, die Stinkende, über den Zaun gestiegen sein sollte. ›Wenn die hinübersteigen konnte‹, ging es ihm, Gott weiß warum, durch den Kopf, ›weshalb sollte ich nicht hinüberkommen?‹ Und wirklich, er sprang hoch und schaffte es gleich beim erstenmal, den oberen Rand des Zaunes mit der Hand zu fassen; danach zog er sich energisch hinauf und setzte sich rittlings auf den Zaun. Nicht weit von dort stand im Garten das Badehäuschen; auch waren vom Zaun aus die erleuchteten Fenster des Hauses zu sehen. ›Es stimmt, beim Alten im Schlafzimmer ist Licht, sie ist da!‹ Und er sprang vom Zaun in den Garten. Obwohl er wußte, daß Grigori krank war und Smerdjakow vielleicht ebenfalls, daß ihn also niemand hören konnte, versteckte er sich doch instinktiv, stand regungslos an einer Stelle und horchte. Aber überall herrschte totes Schweigen; auch die Luft war, wie absichtlich, ganz ruhig, nicht der leiseste Windhauch regte sich.
    »Und ringsum flüstert nur die Stille ... » Dieser Vers fiel ihm aus irgendeinem Grund ein. ›Wenn bloß keiner gehört hat, wie ich herübergesprungen bin! Wie es scheint, hat es wirklich keiner gehört ... ›Nachdem er ein Weilchen regungslos gestanden hatte, ging er leise durch den Garten. Es dauerte lange, da er immer wieder hinter Bäumen und Büschen Deckung suchte, bemüht, jeden Schritt unhörbar zu machen, und nach jedem Schritt lauschte. Nach etwa fünf Minuten war er an eines der erleuchteten Fenster gelangt. Er erinnerte sich, daß dort, dicht unter den Fenstern, einige große, dichte Holunder- und Schneeballsträuche standen. Die Tür vom Haus in den Garten, an der linken Seite der Rückwand des Hauses, war geschlossen. Darauf achtete er im Vorbeigehen absichtlich genau. Endlich hatte er die Sträucher erreicht und versteckte sich hinter ihnen. Er atmete unhörbar. ›Ich muß hier warten!‹ dachte er. Wenn sie meine Schritte gehört haben und jetzt horchen, so sollen sie glauben, daß sie sich geirrt haben ... Wenn ich nur nicht husten oder niesen

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