Die Brueder Karamasow
Nacht!«
»Wanja war einst stolz und reich, jetzt ist er dem Bettler gleich«, sagte Mitja plötzlich.
»Wieso einem Bettler gleich? Wenn man so viele Tausende hat, ist man nicht einem Bettler gleich.«
»Ich rede nicht von den Tausenden. Zum Teufel mit den Tausenden! Ich rede vom Charakter der Weiber:
Denn das Weib ist falscher Art,
und die Arge liebt das Neue.
Ich bin mit Odysseus einverstanden, der sagt das irgendwo bei Schiller.«
»Ich verstehe Sie nicht.«
»Bin ich etwa betrunken?«
»Nein, nicht betrunken, schlimmer als das.«
»Ich bin seelisch betrunken, Pjotr Iljitsch, seelisch betrunken! Aber genug davon, genug!«
»Was machen Sie denn da? Wollen Sie die Pistole laden?«
»Ja, das will ich.«
Mitja hatte in der Tat den Pistolenkasten geöffnet, er machte das Pulverhorn auf, schüttete sorgfältig die Ladung hinein und drückte sie fest. Darauf nahm er eine Kugel und hielt sie zwischen zwei Fingern, vor sich nahe an die Kerze, bevor er sie in den Lauf schob.
»Warum betrachten Sie denn die Kugel so?« fragte Pjotr Iljitsch, der mit Neugier und Unruhe Mitjas Bewegungen verfolgte.
»Nur so ein Einfall. Wenn du vorhättest, dir diese Kugel ins Gehirn zu jagen, würdest du sie dir dann beim Laden der Pistole genauer ansehen oder nicht?«
»Was für einen Sinn sollte das haben?«
»Sie wird in mein Gehirn eindringen – daher ist es interessant zu erfahren, wie sie beschaffen ist ... Übrigens ist das Unsinn, bloß ein dummer Gedanke ... So, fertig«, fügte er hinzu, nachdem er die Kugel hineingeschoben und mit Werg festgestopft hatte. »Lieber Pjotr Iljitsch, das ist ja alles nur Unsinn! Wenn du wüßtest, was für ein schrecklicher Unsinn! Bitte, gib mir jetzt ein Stückchen Papier!«
»Da ist welches.«
»Nein, glattes, reines, um darauf zu schreiben. So, schön!«
Mitja nahm eine Feder vom Tisch, schrieb schnell zwei Zeilen auf das Papier, faltete es vierfach zusammen und steckte es in seine Westentasche. Die Pistolen legte er in den Kasten, schloß ihn mit einem Schlüsselchen zu und nahm ihn in die Hand. Darauf blickte er Pjotr Iljitsch an und lächelte lange nachdenklich.
»Jetzt wollen wir gehen!« sagte er.
»Wohin denn? Nein, warten Sie ... Am Ende wollen Sie sich die Kugel selbst ins Gehirn jagen?« sagte Pjotr Iljitsch beunruhigt.
»Unsinn! Ich will leben, ich liebe das Leben! Das sollst du wissen! Ich liebe den goldlockigen Phöbus und sein flammendes Licht ... Lieber Pjotr Iljitsch, verstehst du, beiseite zu treten?«
»Beiseite zu treten, was soll das heißen?«
»Jemandem den Weg freigeben. Einem geliebten Wesen und einem verhaßten Menschen den Weg freigeben. Und zwar muß man den Weg so freigeben, daß einem auch der verhaßte Mensch lieb wird! Und man muß zu ihnen sagen: Gott sei mit euch, bitte, geht vorbei, ich aber ...«
»Sie aber?«
»Genug, wir wollen gehen!«
»Mein Gott, ich werde jemand sagen, man soll Sie nicht dahin lassen. Was wollen Sie denn jetzt in Mokroje?«
»Eine Frau ist dort. Eine Frau, laß dir das genug sein, Pjotr Iljitsch. Basta!«
»Hören Sie mal, wenn Sie auch ein wilder Geselle sind, so haben Sie mir doch immer gefallen ... deshalb mache ich mir jetzt Sorgen um Sie.«
»Ich danke dir, Bruder. Ich bin ein wilder Geselle, sagst du. Jawohl, die wilden Gesellen. Ich wiederhole nur das eine: die wilden Gesellen! Ah, da ist ja Mischa, ich hatte gar nicht mehr an ihn gedacht.«
Mischa kam eilig mit einem Päckchen eingewechselten Geldes herein und meldete, bei den Plotnikows seien alle in Bewegung und schleppten Flaschen und Fisch und Tee zusammen; gleich werde alles bereit sein. Mitja nahm einen Zehnrubelschein und reichte ihn Pjotr Iljitsch; einen zweiten warf er Mischa hin.
»Nein, tun Sie das nicht!« rief Pjotr Iljitsch. Bei mir zu Hause, das lasse ich nicht zu, das ist üble Verwöhnung! Stecken Sie Ihr Geld ein! Sehen Sie, hier stecken Sie es hin ... Wozu wollen Sie es aus dem Fenster werfen? Morgen brauchen Sie es doch und kommen wieder zu mir zehn Rubel borgen. Warum stecken Sie denn alles in die Seitentasche? Sie werden es noch verlieren!«
»Hör mal, lieber Mensch, wollen wir nicht zusammen nach Mokroje fahren?«
»Was soll ich denn da?«
»Hör mal, wenn es dir recht ist, mache ich gleich eine Flasche auf, und wir trinken auf das Leben! Ich möchte trinken, und ganz besonders mit dir trinken! Ich habe noch nie mit dir getrunken, wie?«
»Meinetwegen, im Restaurant können wir das ja tun. Gehen wir hin, ich wollte
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