Die Brueder Karamasow
sowieso gerade hingehen.«
»In ein Restaurant zu gehen, dazu habe ich keine Zeit. Aber wir könnten es bei den Plotnikows im Laden tun, im Hinterzimmer. Wenn es dir recht ist, werde ich dir gleich ein Rätsel aufgeben.«
»Gib es auf.«
Mitja zog ein Zettelchen aus der Westentasche, faltete es auseinander und zeigte es dem Beamten. Auf dem Zettel stand mit deutlicher, großer Schrift: »Ich richte mich zur Strafe für mein ganzes Leben! Ich ahnde mein ganzes Leben!«
»Wirklich, ich muß es jemand sagen! Ich werde gehen und es anzeigen«, sagte Pjotr Iljitsch, als er den Zettel gelesen hatte.
»Da wirst du zu spät kommen, mein Täubchen! Los, wir wollen trinken! Vorwärts!«
Der Laden der Plotnikows lag nur wenige Häuser von Pjotr Iljitschs Wohnung entfernt, an der Straßenecke. Dies war das größte Delikatessengeschäft in unserer Stadt; es gehörte reichen Kaufleuten und war sehr gut eingerichtet. Es war dort alles zu haben, wie in den Geschäften der Residenz, alle möglichen guten Dinge: Wein (»Abzug der Gebrüder Jelissejew«). Früchte, Zigarren, Tee, Zucker, Kaffee und so weiter. Drei Gehilfen waren immer im Laden, zwei Laufburschen immer unterwegs. Obgleich unsere Gegend verarmt war, viele Gutsbesitzer weggezogen waren und der Handel am Boden lag, blühte dieses feine Geschäft doch wie früher, ja sogar von Jahr zu Jahr mehr. Für solche Dinge gab es allezeit Käufer. Mitja wurde im Laden mit Ungeduld erwartet. Man erinnerte sich noch sehr gut, wie er vor drei, vier Wochen auf dieselbe Weise alle möglichen Waren für mehrere hundert Rubel ausgesucht und bar bezahlt hatte – auf Borg hätte man ihm allerdings auch nichts gegeben – und wie er, ebenso wie jetzt, ein ganzes Päckchen Hundertrubelscheine in der Hand gehabt und das Geld unbedacht ausgegeben hatte, ohne zu handeln und zu überlegen, wozu er so viele Waren überhaupt brauchte. In der ganzen Stadt erzählte man später, er sei damals mit Gruschenka nach Mokroje gefahren, habe in einer Nacht und an dem folgenden Tag auf einen Schlag dreitausend Rubel vergeudet und sei von dem Gelage ohne eine Kopeke zurückgekehrt. Es hieß, er habe eine ganze Zigeunerhorde, die sich damals bei uns herumtrieb, mitgenommen, und die habe ihm in den zwei Tagen – betrunken wie er war – eine Unmenge Geld abgenommen und eine Unmenge teuren Wein getrunken. Man spottete über Mitja, er habe in Mokroje dumme Bauern mit Champagner betrunken gemacht und Bauernmädchen und Bauernfrauen mit Konfekt und Straßburger Pasteten gefüttert. Man lachte auch, und zwar besonders im Restaurant – allerdings nur hinter seinem Rücken, denn ihm ins Gesicht zu lachen, war etwas gefährlich –, über Mitjas eigenes offenherziges Geständnis, daß er von Gruschenka für diese ganze »Eskapade« keine andere Belohnung erhalten habe als die Erlaubnis, ihr Füßchen zu küssen; weiter habe sie ihm nichts gestattet.
Als Mitja und Pjotr Iljitsch zum Laden kamen, fanden sie am Eingang schon eine fahrbereite Troika vor, mit einem Wagen, der mit einem Teppich bedeckt war, mit Schellen und Glöckchen und dem Kutscher Andrej, der auf Mitja wartete. Im Laden war eine Kiste bereits mit Waren vollgepackt, und man wartete nur auf Mitja, um sie zuzumachen und auf den Wagen zu laden.
Pjotr Iljitsch war erstaunt.
»Wo hast du denn so schnell eine Troika herbekommen?« fragte er Mitja.
»Als ich zu dir lief, traf ich diesen Andrej und befahl ihm, direkt hierherzufahren. Es ist keine Zeit zu verlieren! Das vorige Mal fuhr ich mit Timofej, aber Timofej ist diesmal vor mir mit einer Zauberin davongefahren ... Andrej, werden wir sehr viel später ankommen als sie?«
»Höchstens eine Stunde sind die früher da als wir, und auch das kaum! Kaum eine Stunde!« antwortete Andrej eilig. »Ich habe Timofej beim Anspannen geholfen – ich weiß, wie der fährt. Wir fahren anders als die, Dmitri Fjodorowitsch! Die können mit uns nicht mithalten. Keine Stunde kommen die früher an!« sagte Andrej eifrig. Er war noch nicht alt, ein magerer Bursche mit rötlichem Haar, in einem ärmellosen Wams, den Schoßrock über dem linken Arm.
»Fünfzig Rubel Trinkgeld, wenn wir nur eine Stunde später ankommen!«
»Nur eine Stunde, das garantiere ich Ihnen, Dmitri Fjodorowitsch! Ach was, keine halbe Stunde sind die früher da, geschweige denn eine Stunde!«
Mitja entwickelte zwar eine große Geschäftigkeit im Anordnen, doch was er da sagte und befahl, kam alles etwas sonderbar heraus, abgehackt und
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