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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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sich ein- oder zweimal mit ihm unterhalten, beide Male über das weibliche Geschlecht.
    »Sie sind, wie ich sehe, ein außerordentlich geschickter Untersuchungsrichter, Nikolai Parfjonowitsch«, sagte Mitja auf einmal mit heiterem Lächeln. »Aber ich will Ihnen jetzt trotzdem behilflich sein. Oh, meine Herren, ich fühle mich wie neugeboren ... Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich mich so geradezu an Sie wende. Außerdem bin ich ein bißchen betrunken, das sage ich Ihnen ganz offen. Ich glaube, ich hatte die Ehre und das Vergnügen, bei meinem Verwandten Miussow mit Ihnen zusammen zu sein, Nikolai Parfjonowitsch ... Meine Herren, meine Herren, ich erhebe nicht den Anspruch, gleichberechtigt behandelt zu werden – ich verstehe sehr gut, wer ich jetzt für Sie bin. Auf mir ruht ... Falls Grigori etwas über mich ausgesagt hat ... So ruht auf mir ein furchtbarer Verdacht! Schrecklich, schrecklich, ich begreife das ja alles! Aber zur Sache, meine Herren! Ich bin bereit, und wir werden das alles in einer Sekunde erledigen ... Hören Sie nur, meine Herren! Wenn ich weiß, daß ich unschuldig bin, werden wir es ja wohl in einer Sekunde erledigen! Nicht wahr?«
    Mitja redete schnell, viel und nervös und so, als hielte er seine Zuhörer für seine besten Freunde.
    »Also wir wollen einstweilen niederschreiben, daß Sie die gegen Sie erhobene Beschuldigung vollständig bestreiten«, sagte Nikolai Parfjonowitsch nachdrücklich und diktierte dem Schreiber halblaut, was er schreiben sollte.
    »Niederschreiben? Sie wollen das niederschreiben? Nun gut, schreiben Sie es nieder, ich bin damit einverstanden, ich gebe meine völlige Einwilligung, meine Herren ... Nur sehen Sie ... Warten Sie, warten Sie, schreiben Sie so: ›Der Gewalttätigkeit ist er schuldig! Der schweren Mißhandlung eines armen alten Mannes ist er schuldig!‹ Na, und in meinem Innern, in der Tiefe meines Herzens, da ist noch etwas, noch eine Schuld, aber das brauchen Sie nicht hinzuschreiben ...« Er wandte sich plötzlich an den Schreiber. »Das gehört zu meinem Privatleben, meine Herren! Das geht Sie weiter nichts an, diese Tiefen des Herzens, meine ich ... ›Aber der Ermordung seines alten Vaters ist er nicht schuldig!‹ Das ist ein gemeiner Gedanke! Das ist ein ganz gemeiner Gedanke! Ich werde Ihnen das beweisen, und Sie werden sich im Nu davon überzeugen. Sie werden lachen, meine Herren! Sie werden selbst über Ihren Verdacht lachen!«
    »Beruhigen Sie sich, Dmitri Fjodorowitsch!« ermahnte ihn der Untersuchungsrichter, der offenbar durch seine eigene Ruhe besänftigend auf Mitja einzuwirken wünschte. »Bevor wir mit dem Verhör fortfahren, möchte ich gern, falls Sie einwilligen, von Ihnen die Bestätigung der Tatsache hören, daß Sie den verstorbenen Fjodor Pawlowitsch offenbar nicht liebten, sondern ständig mit ihm Streit hatten ... Zumindest haben Sie, glaube ich, hier vor einer Viertelstunde erklärt, daß Sie ihn töten wollten. ›Ich habe ihn nicht getötet‹, riefen Sie, aber ich wollte ihn töten!‹«
    »Habe ich das gesagt? Nun, das ist wohl möglich, meine Herren! Ja, leider habe ich ihn töten wollen, viele Male habe ich das gewollt ... Leider, leider!«
    »Also Sie haben es gewollt. Möchten Sie uns nun vielleicht erklären, wodurch Sie eigentlich zu diesem Haß auf Ihren Vater veranlaßt wurden?
    »Was ist da zu erklären, meine Herren!« rief Mitja mit finsterem Gesicht, zuckte die Achseln und blickte zu Boden. »Ich habe ja aus meinen Gefühlen kein Hehl gemacht, die ganze Stadt weiß es, alle Leute im Restaurant wissen es. Noch vor kurzem habe ich es im Kloster, in der Zelle des Starez Sossima, offen ausgesprochen ... Am Abend desselben Tages schlug ich meinen Vater, erschlug ihn beinahe und schwor, ich würde wiederkommen und ihn totschlagen, vor Zeugen tat ich das alles ... Oh, tausend Zeugen sind dafür vorhanden! Einen Monat lang habe ich solche Reden geführt, und alle sind Zeugen! Die Tatsache ist offenkundig, die Tatsache spricht und schreit – aber die Gefühle, meine Herren, die Gefühle, das ist dann doch etwas anderes. Sehen Sie, meine Herren .... Mir scheint, daß Sie nicht berechtigt sind, nach meinen Gefühlen zu fragen. Sie sind zwar mit Ihrer Amtsgewalt bekleidet, ich verstehe das – doch das ist meine eigene Angelegenheit, meine innere, intime Angelegenheit! Aber da ich meine Gefühle früher auch nicht verheimlicht habe, zum Beispiel im Restaurant, sondern mit jedem darüber gesprochen habe, so werde ich

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