Die Brueder Karamasow
er nicht bemerkt habe, wieviel Geld Dmitri Fjodorowitsch eigentlich in der Hand hatte, da er ihm doch bei Empfang des Darlehens näher gewesen sei als alle anderen, antwortete Maximow in entschiedenstem Ton, es seien zwanzigtausend Rubel gewesen.
»Haben Sie denn schon jemals früher zwanzigtausend Rubel gesehen?« fragte Nikolai Parfjonowitsch lächelnd.
»Gewiß, das habe ich, nur nicht gerade zwanzigtausend, sondern siebentausend, als meine Frau mein Gut verpfändete. Sie ließ mich das Geld nur von weitem sehen und prahlte damit, es war ein sehr dickes Päckchen, lauter regenbogenfarbene Scheine. Und auch Dmitri Fjodorowitsch hatte lauter solche ...«
Man entließ ihn sehr bald wieder. Endlich kam die Reihe auch an Gruschenka. Die beiden Beamten waren offenbar besorgt wegen des Eindrucks, den ihr Erscheinen möglicherweise auf Dmitri Fjodorowitsch machen würde, und Nikolai Parfjonowitsch murmelte ihm sogar ein paar ermahnende Worte zu; doch Mitja neigte als Antwort nur schweigend den Kopf und gab dadurch zu verstehen, es werde nichts Ungehöriges geschehen.
Michail Makarowitsch persönlich führte Gruschenka herein. Sie trat mit ernstem, äußerlich fast ruhigem Gesicht ein und setzte sich still auf den ihr angewiesenen Stuhl, dem Untersuchungsrichter gegenüber. Sie war sehr blaß, schien zu frieren und hatte sich fest in ihren schönen schwarzen Schal gewickelt. Tatsächlich hatte sich bei ihr ein leichter Fieberschauer eingestellt, der Anfang einer langen Krankheit, die sie von dieser Nacht an durchmachte. Ihre strenge Miene, ihr offener, ernster Blick und ihr ruhiges Benehmen machten auf alle Anwesenden einen angenehmen Eindruck. Nikolai Parfjonowitsch war von ihr sogar auf Anhieb ein bißchen »enthusiasmiert«. Als er später von dieser Begegnung erzählte, gab er selber zu, er habe erst damals begriffen, daß dieses Weib »eine wirkliche Schönheit« sei; zwar habe er sie auch vorher des öfteren gesehen, doch habe er sie immer für eine Art »kleinstädtischer Hetäre« gehalten. »Sie hat Manieren wie eine Dame der höchsten Gesellschaft«, erklärte er entzückt in einem Kreis von Damen. Aber diese hörten das mit größter Entrüstung und nannten ihn dafür »Schwerenöter«, was er sich gern gefallen ließ. Als Gruschenka ins Zimmer trat, warf sie nur einen kurzen Blick auf Mitja, der sie seinerseits voller Unruhe ansah; ihre Miene beruhigte ihn jedoch im selben Augenblick. Nach den ersten notwendigen Fragen und Ermahnungen fragte Nikolai Parfjonowitsch etwas stockend, aber doch mit der höflichsten Miene, in welchen Beziehungen sie zu dem Leutnant außer Dienst Dmitri Fjodorowitsch Karamasow gestanden habe. Hierauf antwortete Gruschenka leise und fest: »Er war ein Bekannter von mir, und als Bekannten habe ich ihn im letzten Monat empfangen.«
Auf weitere neugierige Fragen erklärte sie offen, er habe ihr zwar zeitweilig gefallen, doch sie habe ihn nicht geliebt, sondern »aus schändlicher Bosheit« ihr Spiel mit ihm getrieben, genauso wie mit diesem alten Mann; sie habe gesehen, daß Mitja ihretwegen auf Fjodor Pawlowitsch und alle anderen Menschen sehr eifersüchtig war, habe sich aber darüber nur amüsiert. Zu Fjodor Pawlowitsch habe sie überhaupt niemals gehen wollen, sie habe sich über ihn nur lustig gemacht. »In diesem ganzen Monat stand mein Sinn gar nicht nach den beiden. Ich wartete auf einen anderen, der sich früher an mir vergangen hatte ... Aber ich glaube«, schloß sie, »daß Sie keinen Anlaß haben, danach zu fragen, und daß ich keinen Anlaß habe, Ihnen darüber Auskunft zu geben, da das meine reine Privatangelegenheit ist.«
So verfuhr Nikolai Parfjonowitsch denn auch unverzüglich; er hielt sich nicht weiter bei den »romantischen« Punkten auf, sondern ging sofort zu etwas Ernstem über, das heißt, er kam wieder auf die Hauptfrage nach den dreitausend Rubeln zurück. Gruschenka bestätigte, daß in Mokroje vor einem Monat tatsächlich dreitausend Rubel ausgegeben worden waren; zwar habe sie das Geld nicht gezählt, doch habe sie von Dmitri Fjodorowitsch selbst gehört, daß es dreitausend Rubel gewesen seien.
»Hat er Ihnen das unter vier Augen gesagt oder in Gegenwart eines anderen Menschen, oder haben Sie nur gehört, wie er in Ihrer Gegenwart mit anderen darüber sprach?« erkundigte sich der Staatsanwalt.
Auf diese Frage erklärte Gruschenka, sie habe es von ihm in Gegenwart anderer gehört, und sie habe gehört, wie er mit anderen darüber sprach, und sie
Weitere Kostenlose Bücher