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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Obgleich er sich unterwegs gewiß überlegt hatte, wie er das Gespräch ungezwungen beginnen könnte, hatte er jetzt gänzlich den Faden verloren.
    »Nein ... Ich bin mit Pereswon gekommen ... Ich habe jetzt so einen Hund, Pereswon. Das ist ein altslawischer Name. Er wartet draußen ... Wenn ich pfeife, kommt er hereingelaufen ... Ich bin auch mit einem Hund gekommen«, wandte er sich auf einmal an Iljuscha, »denkst du noch an Shutschka, Alter?« Die Frage wirkte auf Iljuscha wie ein Schlag auf den Kopf. Sein Gesicht verzerrte sich; er blickte mit einem Ausdruck tiefen Schmerzes Kolja an. Aljoscha, der an der Tür stand, machte ein finsteres Gesicht und winkte Kolja verstohlen, er möchte nicht von Shutschka reden, doch der bemerkte es nicht oder wollte es nicht bemerken.
    »Wo ist denn ... Shutschka?« fragte Iljuscha mit versagender Stimme.
    »Na, Bruder, dein Shutschka ist flötengegangen! Dein Shutschka ist krepiert!«
    Iljuscha schwieg, sah aber Kolja noch einmal eindringlich an.
    Aljoscha fing einen Blick Koljas auf und winkte ihm wieder aus Leibeskräften, der aber tat, als ob er es nicht bemerkt hätte.
    »Der ist weggelaufen und krepiert. Wie sollte er auch nach so einem Bissen nicht krepieren«, fuhr Kolja erbarmungslos fort, atmete jedoch dabei selbst aus irgendeinem Grund mühsam. »Ich habe dafür Pereswon ... Das ist ein altslawischer Name ... Ich habe ihn dir mitgebracht ...«
    »Ich möchte ihn nicht sehen«, sagte Iljuschetschka plötzlich.
    »Doch, doch, du sollst ihn sehen, du mußt ihn unbedingt sehen ... Er wird dir Freude machen. Ich habe ihn absichtlich mitgebracht ... Er ist genauso struppig wie der andere ... Erlauben Sie, gnädige Frau, daß ich meinen Hund rufe?« wandte er sich an Frau Snegirjowa; er befand sich jetzt in unbegreiflicher Erregung.
    »Ich möchte ihn nicht sehen, ich möchte ihn nicht sehen!« rief Iljuscha schmerzerfüllt. Seine brennenden Augen blickten, vorwurfsvoll.
    »Möchten Sie nicht ...«, rief plötzlich der Stabskapitän und sprang auf, »möchten Sie nicht ... zu anderer Zeit ...«
    Aber Kolja bestand hartnäckig auf seinem Willen, rief eilig Smurow zu: »Smurow, mach die Tür auf!« und pfiff dann laut auf seiner Pfeife. Pereswon stürmte hastig herein.
    »Spring, Pereswon! Steh!« schrie Kolja, und der Hund stellte sich auf die Hinterfüße und machte vor Iljuschas Bett Männchen. Da geschah etwas, was niemand erwartet hatte; Iljuscha fuhr zusammen, beugte plötzlich heftig den ganzen Oberkörper nach vorn zu Pereswon und blickte ihn, starr vor Staunen, an.
    »Das ... ist Shutschka« schrie er auf einmal; und die Stimme zitterte ihm vor Schmerz und Glückseligkeit.
    »Wer soll es denn sonst sein?«schrie Krassotkin aus voller Kehle mit heller Stimme; dann bückte er sich zu dem Hund hinunter, packte ihn und hob ihn zu Iljuscha hinauf.
    »Sieh nur, Alter, sieh her! Das eine Auge ist ausgelaufen, und das linke Ohr ist eingerissen! Genau die Merkmale, die du mir angegeben hast. Nach diesen Merkmalen habe ich ihn auch gefunden. Ich habe ihn gleich damals gefunden, sehr bald. Er gehörte ja niemandem!« fügte er zur Erläuterung hinzu, wobei er sich schnell zu dem Stabskapitän, zu dessen Gattin, zu Aljoscha und dann wieder zu Iljuscha wandte. »Er lebte bei Fedotows auf dem Hinterhof, wollte sich da heimisch machen. Aber die gaben ihm nichts zu fressen, er war ja aus irgendeinem Dorf weggelaufen ... So machte ich ihn also ausfindig... Siehst du, Alter, er hat deinen Bissen damals offenbar gar nicht hintergeschlungen. Hätte er ihn hintergeschlungen, wäre er natürlich gestorben, das ist sicher. Da er jetzt noch lebt, hat er ihn offenbar noch rechtzeitig ausgespuckt. Du hast es bloß nicht bemerkt, daß er ihn ausgespuckt hat. Er hat ihn ausgespuckt und sich dabei in die Zunge gestochen, darum hat er damals gewinselt. Er lief davon und winselte, und du dachtest, er hätte den Bissen verschluckt. Er mußte so sehr winseln, denn ein Hund hat eine zarte Haut im Mund ... zarter als der Mensch, viel zarter!« rief Kolja in höchster Erregung, und sein Gesicht glühte und strahlte nur so.
    Iljuscha konnte gar nicht reden. Mit großen Augen und offenem Mund sah er Kolja an; er war bleich wie Leinen. Wenn der ahnungslose Krassotkin gewußt hätte, welche Qual dieser Augenblick dem kranken Kameraden bereitete, ja daß er ihm tödlich werden konnte, hätte er sich um keinen Preis entschlossen, ein Stückchen wie dieses auszuführen. Doch von den Anwesenden war Aljoscha

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