Die Brueder Karamasow
Bett und krabbelte herum, und er streichelte es, schmerzlich lächelnd, mit seinen blassen, abgemagerten Händchen; man konnte sogar sehen, daß ihm das Hündchen gefiel, aber ... Shutschka war es doch nicht, es war doch nicht Shutschka! Ja, wenn Shutschka und das Hündchen zusammen ... Dann wäre das Glück vollkommen gewesen.«
»Krassotkin!« rief plötzlich einer, der den eintretenden Kolja zuerst erblickt hatte. Es entstand eine merkliche Erregung; die Jungen traten auseinander und stellten sich an beide Seiten des Bettes, so daß Iljuschetschka auf einmal frei zu sehen war.
Der Stabskapitän stürzte dem Ankömmling eifrig entgegen.
»Treten Sie näher, treten Sie näher ... teurer Gast!« stammelte er. »Iljuschetschka, Herr Krassotkin ist zu dir gekommen ...«
Doch Krassotkin bewies, nachdem er dem Stabskapitän rasch die Hand gegeben hatte, unverzüglich seine Kenntnis der Umgangsformen. Er wandte sich mit einer korrekten Verbeugung zuerst an die Gattin des Stabskapitäns, die auf ihrem Lehnstuhl saß und gerade in diesem Augenblick sehr unzufrieden war und darüber murrte, daß die Jungen Iljuschas Bett umlagerten und sie hinderten, das neue Hündchen zu sehen. Dann verbeugte er sich auch vor Ninotschka wie vor einer Dame. Dieses höfliche Benehmen machte auf die kranke Dame einen außerordentlich angenehmen Eindruck.
»Da sieht man doch gleich, daß es ein gut erzogener junger Mann ist«, sagte sie laut. »Aber unsere übrigen Gäste, die kommen einer auf dem anderen herein.«
»Wieso denn einer auf dem anderen, Mamachen, wie meinst du das?« fragte der Stabskapitän zwar freundlich, aber doch ein bißchen besorgt um »Mamachen«.
»Ja, so kommen sie hereingeritten. Auf dem Flur setzt sich einer dem anderen auf die Schulter und reitet so zu einer anständigen Familie herein. Wie kann ein Gast sich so benehmen?«
»Wer ist denn so hereingeritten, Mamachen?«
»Dieser hier ist heute auf diesem hereingeritten und jener auf jenem ...«
Aber Kolja stand schon an Iljuschas Bett. Der Kranke war sichtlich blaß geworden. Er richtete sich auf und blickte starr und unverwandt Kolja an. Dieser hatte seinen früheren kleinen Freund etwa zwei Monate nicht gesehen und stand nun ganz bestürzt vor ihm; er hatte nicht geahnt, daß er so ein abgemagertes, gelb gewordenes Gesicht, so fieberhaft brennende und schrecklich groß scheinende Augen, so ausgemergelte Hände zu sehen bekommen würde. Mit traurigem Staunen bemerkte er, daß Iljuscha tief und hastig atmete und ganz trockene Lippen hatte. Er reichte ihm die Hand und sagte beinahe fassungslos: »Nun, Alter ... Wie geht es dir?«
Die Stimme versagte ihm, er vermochte den ungezwungenen Ton nicht beizubehalten, sein Gesicht verzog sich plötzlich, und um seine Lippen zuckte es. Iljuscha lächelte ihm schmerzlich zu; er war noch immer nicht imstande, ein Wort zu sagen. Kolja hob plötzlich die Hand und strich mit der Handfläche über Iljuschas Haar.
»Na, das ... macht ... nichts!« flüsterte er ihm zu, teils, um ihn zu ermutigen, teils, ohne selbst recht zu wissen, warum er das sagte. Ein Weilchen schwiegen beide.
»Was ist denn das? Du hast ja einen neuen kleinen Hund?« fragte Kolja plötzlich in völlig teilnahmslosem Ton.
»Ja-a-a!« antwortete Iljuscha gedehnt und flüsternd; er konnte kaum atmen.
»Er hat eine schwarze Nase, also gehört er zu den bösen Hunden, zu den Kettenhunden«, bemerkte Kolja wichtig mit fester Stimme, als ging es jetzt um nichts anderes als um den kleinen Hund und seine schwarze Nase. Aber die Hauptsache war, daß er sich immer noch bemühte, seine Rührung zu unterdrücken, um nicht wie ein »kleiner Junge« loszuweinen, ihrer aber immer noch nicht Herr werden konnte. »Wenn er heranwächst, wird er an die Kette müssen, ich verstehe mich darauf.«
»Er wird riesengroß!« rief einer aus dem Schwarm.
»Das ist bekannt. Ein Bullenbeißer, das ist ein riesiges Tier, so groß wie ein Kalb!« riefen mehrere durcheinander.
»So groß wie ein Kalb, wie ein richtiges Kalb!« fiel der Stabskapitän ein, der schnell hinzugesprungen war. »Ich habe absichtlich so einen ausgesucht, einen recht bösen, und auch seine Eltern sind riesige, böse Tiere, so hoch vom Fußboden ... Aber setzen Sie sich doch bitte. Hier, auf das Bett zu Iljuscha oder auch hier auf die Bank! Bitte schön, Sie teurer, lang erwarteter Gast ... Sind Sie mit Alexej Fjodorowitsch zusammen gekommen?«
Krassotkin setzte sich auf Iljuschas Bett, an das Fußende.
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