Die Brueder Karamasow
keine häufigen Besuche von ihm, da ich weiß, wieviel Mühe und Sorge er ohnedies schon hat, vous comprenez, cette affaire et la mort terrible de votre papa 68 , plötzlich erfuhr ich, daß er wieder hier war, aber nicht bei mir, sondern bei Lise, vor nun schon sechs Tagen. Er war gekommen, hatte fünf Minuten gesessen und war wieder weggegangen! Ich erfuhr es erst volle drei Tage danach von Glafira und es frappierte mich nicht wenig! Ich ließ Lise sogleich rufen, aber die fing an zu lachen. ›Er dachte‹, sagte sie, ›Sie schliefen, und kam zu mir, um sich nach Ihrem Befinden zu erkundigen.‹ Natürlich war es auch so gewesen. Aber Lise, o Gott, was macht sie mir für Sorgen! Denken Sie sich, einmal, vor vier Tagen, gleich nachdem Sie zum letztenmal hiergewesen und wieder gegangen waren, da bekam sie in der Nacht einen Anfall, sie schrie und kreischte, ganz hysterisch! Warum bekomme ich denn niemals hysterische Anfälle? Dann am folgenden Tag wieder ein Anfall, und dann auch am dritten Tag – und gestern, gestern stellte sich dann dieser Affekt ein. Sie schrie mich auf einmal an: ›Ich hasse Iwan Fjodorowitsch! Ich verlange, daß Sie ihn nicht mehr empfangen, daß Sie ihm das Haus verbieten!‹ Ich war vor Überraschung ganz starr und erwiderte ihr: ›Mit welchem Recht könnte ich so einem vortrefflichen jungen Mann das Haus verbieten, noch dazu, wo er so viele Kenntnisse besitzt und solches Unglück hat?‹ Denn alle diese Geschichten, das ist doch ein Unglück und kein Glück, nicht wahr? Sie lachte laut über meine Worte, und zwar so kränkend, wissen Sie. Na, ich freute mich, ich dachte, ich hätte sie zum Lachen gebracht, und die Anfälle würden jetzt vorübergehen, zumal ich selbst beabsichtigte, Iwan Fjodorowitsch wegen seiner sonderbaren heimlichen Besuche das Haus zu verbieten und eine Erklärung von ihm zu verlangen. Aber heute morgen hat sich Lise nach dem Aufwachen über Julija geärgert und sie mit der Hand ins Gesicht geschlagen, denken Sie! Das ist ja ein monströses Verhalten, ich rede meine Dienstmädchen mit ›Sie‹ an! Und eine Stunde danach hat sie Julija wieder umarmt und ihr die Füße geküßt. Mir ließ sie sagen, sie würde überhaupt nicht mehr zu mir kommen, jetzt nicht und in Zukunft nicht, und als ich mich selbst zu ihr hinschleppte, stürzte sie auf mich zu, küßte mich, weinte und drängte mich unter Küssen, ohne ein Wort zu sagen, geradezu hinaus, so daß ich absolut nichts erfahren habe. Jetzt, lieber Alexej Fjodorowitsch, ruhen alle meine Hoffnungen auf Ihnen, und das Schicksal meines ganzen Lebens liegt in Ihren Händen. Ich bitte Sie, zu Lise zu gehen, von ihr alles herauszubringen, wie nur Sie das verstehen, und dann wieder herzukommen und es mir, der Mutter, zu erzählen. Sie werden das begreifen, ich werde einfach sterben, wenn das so weitergeht, oder ich werde aus dem Haus laufen. Ich kann nicht mehr, ich habe Geduld, aber ich kann sie verlieren, und dann ... Dann wird etwas Schreckliches geschehen. Ach, mein Gott, Pjotr Iljitsch, endlich!« rief Frau Chochlakowa, als sie den eintretenden Pjotr Iljitsch Perchotin erblickte, und Ihr ganzes Gesicht erstrahlte plötzlich.
»Sie kommen so spät! Nun, setzen Sie sich, reden Sie, entscheiden Sie über mein Schicksal! Nun, wie steht es mit diesem Rechtsanwalt? Wohin wollen Sie denn, Alexej Fjodorowitsch?«
»Ich will zu Lisa.«
»Ach ja! Also vergessen Sie nicht, worum ich Sie gebeten habe! Davon hängt mein Schicksal ab, mein Schicksal!«
»Gewiß, ich werde es nicht vergessen, wenn es irgend möglich ist ... Ich habe mich so schon verspätet«, murmelte Aljoscha, sich schnell zurückziehend.
»Nein, kommen Sie bestimmt wieder zu mir! Bestimmt, nicht ›wenn es möglich ist‹, sonst ist das mein Tod!« rief ihm Frau Chochlakowa nach. Aljoscha aber hatte das Zimmer bereits verlassen.
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3.
Ein Teufelchen
Als er bei Lisa eintrat, fand er sie halb liegend auf ihrem Rollstuhl, in dem sie früher gefahren war, als sie noch nicht laufen konnte. Sie machte keine Bewegung, ihn zu begrüßen, sondern sah ihn nur scharf und durchdringend an. Ihr Blick war etwas fieberhaft, ihr Gesicht gelblich. Aljoscha war erstaunt, wie sie sich in den drei Tagen verändert hatte; sie war sogar magerer geworden. Sie reichte ihm nicht die Hand. Er berührte selbst ihre feinen, schlanken Finger, die regungslos auf ihrem Kleid lagen, und setzte sich dann schweigend ihr gegenüber.
»Ich weiß, daß Sie es eilig haben, ins
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