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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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keine Antwort geben ... Ich glaube, ich besitze jetzt so viel von dieser Kraft, daß ich alles überwinden werde, alles Leid, nur um mir fortwährend sagen zu können: ich bin! In tausend Qualen bin ich doch! Ich krümme mich unter der Folter, aber ich bin! Ich sitze im Gefängnis, aber ich lebe und sehe die Sonne! Und selbst wenn ich die Sonne nicht sehe, weiß ich doch, daß sie da ist. Und zu wissen, daß die Sonne da ist – das ist schon Leben. Aljoscha, die verschiedenen Philosophien bringen mich um, hol‹ sie alle der Teufel! Bruder Iwan dagegen ...«
    »Was ist mit Iwan?« unterbrach ihn Aljoscha, doch Mitja hörte nicht auf ihn.
    »Siehst du, früher habe ich von allen diesen Zweifeln nichts gewußt, aber, da lag alles in mir verborgen. Vielleicht gerade weil diese unbestimmten Ideen in mir tobten, trank ich und randalierte und wütete. Um sie in mir zur Ruhe zu bringen, randalierte ich, um sie zu beschwichtigen, zu unterdrücken. Iwan ist anders als Rakitin, er verbirgt seine Ideen. Iwan ist eine Sphinx und schweigt, immerzu schweigt er. Aber mich quält der Gedanke an Gott. Das ist das einzige, was mich quält. Was ist, wenn Er nicht existiert? Wenn Rakitin recht hat, daß das bei der Menschheit nur eine künstliche Idee ist? Wenn Er nicht existiert, ist der Mensch der Herr der Erde und des Weltgebäudes. Ausgezeichnet! Nur: wie will er tugendhaft sein ohne Gott? Das ist die Frage! Daran muß ich immerzu denken. Wen wird er dann lieben, der Mensch? Wem wird er dankbar sein, wem wird er Loblieder singen? Rakitin lacht. Rakitin sagt, man kann die Menschheit auch ohne Gott lieben. Dieser rotzige Schwächling mag das zwar behaupten, doch ich verstehe es nicht. Für Rakitin ist das Leben eine leichte Sache, er sagte heute zu mir: ›Arbeite lieber an der Erweiterung der sozialen Rechte der Menschheit mit oder wirke wenigstens darauf hin, daß der Fleischpreis nicht steigt! Dadurch kannst du auf einfachere, näherliegende Weise der Menschheit deine Liebe beweisen als durch Philosophien.‹ Ich habe ihm darauf gehörig geantwortet: ›Und du, der du keinen Gott hast, wirst selber noch den Fleischpreis in die Höhe treiben, wenn dir das vorteilhaft ist, und einen Rubel auf die Kopeke aufschlagen!‹ Da wurde er ärgerlich. Denn was ist Tugend? Beantworte du mir diese Frage, Alexej! Ich habe eine Tugend, und der Chinese eine andere – also ist sie etwas Relatives. Oder nicht? Ist sie nicht relativ? Das ist eine heikle Frage! Du wirst mich nicht auslachen, wenn ich sage, daß ich deswegen zwei Nächte nicht geschlafen habe. Ich wundere mich jetzt nur darüber, daß die Leute so dahinleben, ohne daran zu denken. Das kommt von ihrer Geschäftigkeit. Iwan hat keinen Gott. Er hat nur seine Idee. Das geht über mein Fassungsvermögen. Aber er schweigt. Ich glaube, er ist Freimaurer. Ich habe ihn gefragt, er schweigt. Ich wollte an seinem Brunnen einen Schluck Wasser trinken, er schweigt. Nur ein einziges Mal hat er ein Wörtchen gesagt.«
    »Was hat er gesagt?« fragte Aljoscha eilig.
    »Ich sagte zu ihm: ›Dann ist also alles erlaubt, wenn das so ist?‹ Er machte ein finsteres Gesicht. ›Fjodor Pawlowitsch, unser Papa‹, sagte er, ›war ein Schwein, doch geurteilt hat er richtig.‹ Das ist alles, was er mir erwiderte. Weiter sagte er nichts. Das ist hinterhältiger als Rakitins Reden.«
    »Ja«, stimmte ihm Aljoscha bitter zu! »Wann ist er bei dir gewesen?«
    »Davon später. Jetzt noch etwas anderes. Ich habe bisher mit dir fast gar nicht über Iwan gesprochen. Ich schob es bis zum Schluß auf. Sobald diese meine Geschichte hier zu Ende ist und sie das Urteil gefällt haben, werde ich dir etwas erzählen, alles werde ich dir erzählen. Da ist eine seltsame Sache. Und in der sollst du mein Richter sein. Jetzt aber fang nicht davon an, jetzt schweig! Du redest von morgen, von der Gerichtsverhandlung. Doch ob du es glaubst oder nicht – von der weiß ich gar nichts.«
    »Hast du mit diesem Rechtsanwalt gesprochen?«
    »Was kann mir der helfen? Ich habe ihm alles mitgeteilt. Ein Spitzbube, ein Großstädter, ein Bernard! Er glaubt nicht das geringste von dem, was ich sage. Er glaubt, ich hätte den Mord begangen, stell dir das vor! ›Warum sind Sie dann hergekommen, um mich zu verteidigen?‹ habe ich ihn gefragt. Ich spucke auf diese Kerle! Auch einen Arzt hat man gerufen, der soll mich für verrückt erklären. Aber ich dulde das nicht! Katerina Iwanowna will ›ihre Pflicht‹ bis zum Schluß erfüllen. Sie

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