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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Ausführung dieses Planes? Und wer hat ihn sich ausgedacht?«
    »Er, er hat ihn sich ausgedacht, und er dringt sehr darauf! Er war die ganze Zeit nicht zu mir gekommen; auf einmal, vor einer Woche, kam er und fing unvermittelt damit an. Er dringt gewaltig auf die Ausführung. Er bittet nicht, er befiehlt. Er zweifelt nicht daran, daß ich ihm gehorchen werde, obgleich ich ihm ebenso wie dir mein ganzes Herz ausgeschüttet und ihm auch von der Hymne erzählt habe. Er hat mir auch auseinandergesetzt, wie die Sache organisiert werden muß; er hat sich nach allem aufs genaueste erkundigt, doch davon später! Er wünscht es mit geradezu krankhaftem Eifer. Die Hauptsache ist das Geld. ›Zehntausend Rubel‹, sagt er, ›bekommst du zur Bewerkstelligung der Flucht und zwanzigtausend für Amerika. Für die zehntausend Rubel werden wir eine großartige Flucht zuwege bringen.‹ «
    »Und er hat dir ausdrücklich verboten, es mir mitzuteilen?« fragte Aljoscha von neuem.
    »Er sagte, ich soll es niemandem mitteilen, am wenigsten dir. Dir unter keinen Umständen! Er fürchtet offenbar, du würdest als mein Gewissen vor mir stehen. Sag ihm nichts davon, daß ich es dir berichtet habe! Sag es ihm ja nicht!«
    »Du hast recht«, erwiderte Aljoscha! »Vor dem Urteilsspruch des Gerichts kann man keine Entscheidung treffen. Nach dem Urteilsspruch wirst du selber entscheiden. Dann wirst du selbst in dir einen neuen Menschen vorfinden: Der wird die Entscheidung treffen.«
    »Einen neuen Menschen! Oder einen Bernard, und der wird dann à la Bernard entscheiden! Denn ich glaube, ich bin selbst so ein verächtlicher Bernard!« sagte Mitja mit bitterem Lächeln.
    »Aber Bruder, hoffst du wirklich gar nicht mehr auf einen Freispruch?«
    Mitja hob krampfhaft die Schultern und schüttelte verneinend den Kopf.
    »Aljoscha, Täubchen, es ist Zeit, daß du gehst!« sagte er plötzlich eilig! »Der Inspektor hat auf dem Hof gerufen, er wird gleich herkommen. Wir haben die Zeit schon überschritten, das ist ein Verstoß gegen die Ordnung. Umarme mich schnell, küsse mich und bekreuzige mich, Täubchen! Bekreuzige mich für mein morgiges Leiden!«
    Sie umarmten und küßten sich.
    Dann sagte Mitja auf einmal: »Iwan rät mir zu fliehen und glaubt dabei selber, daß ich den Mord begangen habe!«
    Ein trauriges Lächeln erschien auf seinen Lippen.
    »Hast du ihn gefragt, ob er es glaubt?« fragte Aljoscha.
    »Nein, gefragt habe ich ihn nicht. Ich wollte ihn fragen, bekam es aber nicht fertig; ich fand nicht die Kraft dazu. Doch ich sehe es ihm schon an den Augen an. Nun, lebe wohl!«
    Sie küßten sich noch einmal eilig, und Aljoscha wollte schon hinausgehen, als Mitja ihn plötzlich wieder zurückrief:
    »Stell dich vor mich, so!«
    Und er faßte Aljoscha wieder mit beiden Händen fest an den Schultern. Sein Gesicht wurde auf einmal so blaß, daß es selbst in der Dunkelheit zu bemerken war. Seine Lippen verzerrten sich, sein Blick haftete starr auf Aljoscha.
    »Aljoscha, sag mir die volle Wahrheit, wie vor Gott dem Herrn: Glaubst du, daß ich den Mord begangen habe, oder glaubst du es nicht? Du, du selbst: Glaubst du es oder nicht? Sag die volle Wahrheit, lüg nicht!« schrie er außer sich.
    Aljoscha hatte das Gefühl, als ob alles um ihn herum schwankte und ihm ein Stich durchs Herz ging.
    »Hör auf, was hast du...«, stammelte er fassungslos.
    »Die ganze Wahrheit, die ganze Wahrheit! Lüg nicht!« wiederholte Mitja.
    »Nicht eine Sekunde habe ich geglaubt, daß du der Mörder bist!« kam es plötzlich mit zitternder Stimme aus Aljoschas Brust, und er hob die rechte Hand, als wollte er Gott zum Zeugen seiner Worte anrufen.
    Mitjas Gesicht leuchtete augenblicklich vor Glückseligkeit auf! »Ich danke dir«, sagte er gedehnt, und es klang wie ein Seufzer nach einer Ohnmacht! »Du hast mir ein neues Leben geschenkt ... Ob du es glaubst oder nicht – bis jetzt habe ich mich davor gefürchtet, dich zu fragen! So, nun geh, geh! Du hast mich für morgen gestärkt, Gott segne dich dafür! Nun geh und hab Iwan lieb!« Das war das letzte Wort, das aus seiner Brust kam.
    Aljoscha ging tränenüberströmt hinaus. So viel Argwohn von seiten Mitjas, so viel Mißtrauen sogar ihm, Aljoscha, gegenüber, das zeugte von hoffnungslosem Kummer und so tiefer Verzweiflung in der Seele seines unglücklichen Bruders, wie er es nicht geahnt hatte. Unendliches Mitleid packte ihn und quälte ihn plötzlich sehr; sein zerrissenes Herz schmerzte unerträglich.
    Er mußte

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