Die Brueder Karamasow
Danksagung, wenn kein Name daruntersteht! Ich scherzte noch mit den Kontoristen. ›An Gott zu glauben‹, sagte ich, ›das ist in unserem Jahrhundert allerdings reaktionär. Aber ich bin ja der Teufel, an mich darf man glauben.‹ – ›Wir verstehen‹, erwiderten sie. ›Wer glaubt denn nicht an den Teufel? Aber es geht trotzdem nicht. Es könnte unserem Blatt schaden, weil es nicht seiner Richtung entspricht ... Oder sollen wir es als Scherz bringen?‹ Na, als Scherz, dachte ich, wäre es nicht sonderlich geistreich. So wurde es eben nicht gedruckt. Und ob du es glaubst oder nicht – das ist mir ein dauernder Schmerz geblieben. Meine besten Gefühle, wie zum Beispiel die Dankbarkeit, sind mir einzig und allein durch meine soziale Stellung verboten.«
»Bist du schon wieder ins Philosophieren geraten?« knirschte Iwan haßerfüllt.
»Gott behüte mich davor! Doch es ist manchmal einfach unmöglich, sich nicht zu beklagen. Ich bin ein arg verleumdeter Mensch. Da sagst du mir alle Augenblicke, ich sei dumm. Daran sieht man, daß du noch jung bist. Mein Freund, der Verstand ist nicht das einzige, worauf es ankommt! Ich habe von Natur ein gutes, fröhliches Herz, ich habe sogar verschiedene kleine Lustspiele verfaßt. Du scheinst mich wohl für einen alt gewordenen Chlestakow zu halten, und doch ist mein Schicksal viel ernster. Durch irgendeine urewige Bestimmung, die ich nie habe begreifen können, ist es zu meinem Beruf gemacht worden, zu ›verneinen‹, während ich doch von Herzen gut und zum Verneinen gänzlich unfähig bin. ›Nein‹, heißt es, ›geh hin und verneine! Ohne Verneinung ist keine Kritik möglich, und was wäre ein Journal ohne eine Abteilung Kritik? Ohne die Kritik gäbe es ja in der Welt nichts weiter als Hosiannarufe. Aber für das Leben reicht das bloße Hosiannarufen nicht aus; das Hosianna muß erst durch den Schmelzofen der anzweifelnden Prüfung hindurchgegangen sein‹ – na, und in dieser Art weiter. Ich mische mich übrigens in diese ganze Geschichte nicht ein; ich habe die Welt nicht geschaffen, ich trage nicht die Verantwortung dafür. Na, und da hat man irgendeinen Sündenbock herausgesucht, ihn gezwungen, in der ›Abteilung Kritik‹ zu schreiben – und so hat man Leben erzielt. Wir durchschauen diese Komödie. Ich zum Beispiel verlange ganz einfach und direkt meine Vernichtung. ›Nein‹, heißt es, ›lebe weiter, denn ohne dich würde alles aufhören. Wenn alles auf der Erde vernünftig wäre, würde sich nichts ereignen. Ohne dich würde es keine Ereignisse geben, es ist aber notwendig, daß es Ereignisse gibt!‹ So unterdrücke ich denn meinen Verdruß und tue meinen Dienst, damit es Ereignisse gibt, und schaffe auf Befehl Unvernünftiges. Die Menschen halten diese ganze Komödie für etwas Ernstes, trotz ihres unbestreitbaren Verstandes. Darin besteht halt ihre Tragödie. Sie leiden nun zwar, doch dafür leben sie ja auch. Sie haben ein wirkliches Leben, nicht nur ein eingebildetes – denn gerade im Leiden besteht das Leben. Ohne Leiden wäre das Leben ohne jeden Genuß; alles würde sich in ein einziges endloses Gebet verwandeln – das wäre gewiß fromm, aber auch ein bißchen langweilig. Na und ich? Ich leide, trotzdem lebe ich nicht. Ich bin das x in einer unbestimmten Gleichung. Ich bin ein Phantom des Lebens, ein Phantom, das alle Enden und Anfänge verloren und schließlich selbst vergessen hat, wie es sich nennen soll. Du lachst ... Nein, du lachst nicht, du ärgerst dich wieder. Du ärgerst dich in einem fort, du möchtest, daß alles nur Verstand ist. Doch ich wiederhole, ich würde dieses ganze überirdische Leben und alle Titel und Ehren dafür hingeben, wenn ich mich in einer siebenpudschweren Kaufmannsfrau verkörpern und dem lieben Gott Kerzen in der Kirche aufstellen könnte!«
»Also glaubst auch du nicht mehr an Gott?« sagte Iwan, gehässig lächelnd.
»Wie soll ich dir darauf antworten – falls du überhaupt im Ernst fragst ...«
»Gibt es einen Gott oder nicht?« schrie Iwan wieder hartnäckig.
»Ah, also du fragst im Ernst? Mein Täubchen, bei Gott, ich weiß es nicht. Da habe ich ein großes Wort ausgesprochen.«
»Du weißt es nicht, und doch siehst du Gott? Nein, du bist kein selbständiges Wesen, du bist ich! Du bist ich und weiter nichts! Du bist ein Dreck, du bist meine Phantasie!«
»Wenn es dir recht ist, wollen wir sagen: Ich gehöre derselben philosophischen Richtung an wie du – das wäre eine gerechte Ausdrucksweise. Je
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