Die Brueder Karamasow
und habe dabei meine bestimmte Absicht. Das ist meine neue Methode. Sobald du allen Glauben an mich verloren hast, wirst du mir sofort ins Gesicht versichern, daß ich kein Traum bin, sondern wirklich existiere – ich kenne dich doch schon! Dann werde ich mein Ziel erreichen, und mein Ziel ist ein edles. Ich werde in dich nur ein winzig kleines Samenkorn des Glaubens legen; daraus wird eine Eiche wachsen, und zwar eine Eiche von solcher Stärke, daß du wünschen wirst, dich zu ›den frommen Einsiedlern und den makellosen Frauen‹ zu gesellen; denn im geheimen trägst du danach ein großes Verlangen. Du wirst Heuschrecken essen und in die Wüste ziehen, um deine Seele zu retten!«
»Also du Taugenichts bist auf die Rettung meiner Seele bedacht?«
»Man muß doch wenigstens mal ein gutes Werk tun. Du ärgerst dich, wie ich sehe?«
»Witzbold! Hast du denn schon einmal solche Leute in Versuchung geführt, die Heuschrecken essen und siebzehn Jahre lang in einer öden Wüste beten, so daß richtiges Moos auf ihnen wächst?«
»Mein Täubchen, das ist ja meine Hauptbeschäftigung. Die ganze Welt und alle Welten vergißt man und heftet sich an einen einzigen solchen Menschen, denn das ist ein höchst wertvoller Brillant! Eine einzige solche Seele ist manchmal so viel wert wie ein ganzes Sternbild – wir haben ja unsere eigene Arithmetik. Ein solcher Sieg ist wertvoll! Und manche von ihnen stehen dir weiß Gott an Bildung nicht nach, wenn du es auch vielleicht nicht glaubst. Sie können solche Abgründe des Glaubens und des Unglaubens in einem einzigen Augenblick im Geist schauen, daß manchmal wirklich nur ein Haarbreit zu fehlen scheint, und der Mensch stürzt ›mit den Beinen nach oben‹ hinab, wie sich der Schauspieler Gorbunow ausdrückt.«
»Na, und der Erfolg? Bist du mit langer Nase abgezogen?«
»Mein Freund«, antwortete der Gast bedachtsam, »mit langer Nase abziehen ist manchmal besser als ganz ohne Nase, wie erst kürzlich ein kranker Marquis (gewiß hatte ihn ein Spezialist behandelt) zu seinem Beichtvater, einem Jesuiten, sagte. Ich war zugegen – es war geradezu entzückend. ›Geben Sie mir meine Nase wieder!‹ sagte er und schlug sich an die Brust. ›Mein Sohn‹, erwiderte der schlaue Pater, ›alles vollzieht sich nach den unerforschlichen Ratschlüssen der Vorsehung, und ein großes Unglück zieht bisweilen einen außerordentlichen, wenn auch unsichtbaren Vorteil nach sich. Wenn ein strenges Schicksal Sie der Nase beraubt hat, so besteht Ihr Vorteil darin, daß nun niemand in Ihrem ganzen Leben mehr zu Ihnen sagen kann, Sie seien mit langer Nase abgezogen.‹ – ›Frommer Vater, das ist kein Trost!‹ rief der andere verzweifelt. Ich würde im Gegenteil voll Entzücken mein Leben lang täglich mit langer Nase abziehen, wenn sie bei mir nur am richtigen Fleck säße.‹ – ›Mein Sohn‹, antwortete der Pater seufzend, ›alle Güter zugleich darf man nicht verlangen, das wäre Aufmucken wider die Vorsehung, die Sie auch hierbei nicht vergessen hat! Denn wenn Sie wie soeben ausrufen, Sie seien mit Freuden bereit, Ihr Leben lang mit langer Nase abzuziehen, so ist auch dieser Ihr Wunsch schon indirekt erfüllt: indem Sie Ihre Nase verloren, sind Sie nämlich gewissermaßen schon mit langer Nase abgezogen ...‹ «
»Pfui, wie dumm!« rief Iwan.
»Mein Freund, ich wollte dich nur zum Lachen bringen, aber ich schwöre, das ist echte jesuitische Kasuistik! Und ich schwöre dir weiter, alles dies hat sich buchstäblich so begeben, wie ich es dir erzählt habe. Dieser Fall ist erst kürzlich passiert und hat mir viel Mühe und Arbeit gemacht. Der unglückliche junge Mensch kehrte nach Hause zurück und erschoß sich noch in derselben Nacht; ich blieb bis zum letzten Augenblick ununterbrochen bei ihm ... Diese Beichtstühle der Jesuiten bilden aber tatsächlich meine liebste Zerstreuung in traurigen Momenten meines Lebens. Ich will dir noch einen Fall erzählen, ganz neuen Datums. Kommt da zu einem alten Pater eine Blondine aus der Normandie, um die zwanzig. Ein schönes Gesicht, ein Prachtkörper, ein nettes Wesen – man leckt sich unwillkürlich die Lippen. Sie kniet nieder und flüstert durch die Öffnung dem Pater ihre Sünde zu. ›Aber, meine Tochter, sind Sie wirklich schon wieder gefallen?‹ ruft der Pater. ›O sancta Maria, was höre ich, nun mit einem anderen! Wie lange soll denn das noch dauern, schämen Sie sich gar nicht?‹ – ›Ah, mon père‹, antwortet die Sünderin,
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