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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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endgültig, unwiderruflich, und alles zu glauben, woran sie glaubt. Mein Ideal ist, in die Kirche zu gehen und eine Kerze aufzustellen, reinen Herzens, wahrhaftig. Dann würden meine Leiden ein Ende haben. Auch habe ich bei euch Geschmack daran gefunden, allerlei Kuren auf mich zu nehmen. Im Frühling kamen die Pocken; ich ging hin und ließ mich im Armenhaus impfen – wenn du wüßtest, wie zufrieden ich an jenem Tag war: Ich spendete zehn Rubel für die slawischen Brüder! Aber du hörst ja gar nicht zu! Weißt du, du bist heute wohl nicht recht bei Laune?« Der Gentleman schwieg ein Weilchen! »Ich weiß, du bist gestern zu diesem Arzt gegangen ... Nun, wie steht es mit deiner Gesundheit? Was hat dir der Arzt gesagt?«
    »Dummkopf!« erwiderte Iwan schroff.
    »Dafür bist du um so klüger. Du schimpfst schon wieder? Ich frage ja nicht aus Teilnahme, sondern bloß so. Meinetwegen, antworte nicht! Jetzt gibt es wieder viel Rheumatismus ...«
    »Dummkopf!« sagte Iwan noch einmal.
    »Das ist wohl dein Lieblingswort? Ja, ich hatte im vorigen Jahr so einen Rheumatismus aufgefangen, daß ich noch heute daran denke.«
    »Der Teufel hat Rheumatismus?«
    »Warum denn nicht, wenn ich mich doch manchmal in jemand verkörpere. Wenn ich mich verkörpere, dann nehme ich auch die Folgen auf mich. Der Satan sum et nihil humanum a ine alienum puto.«
    »Wie war das, wie? Der Satan sum et nihil humanum – das ist nicht dumm für den Teufel!«
    »Freut mich, daß ich endlich einmal deinen Geschmack getroffen habe.«
    »Aber das hast du ja nicht von mir übernommen«, sagte Iwan und blieb plötzlich wie überrascht stehen! »Das ist mir nie in den Kopf gekommen: Sonderbar ...«
    »C'est du nouveau, n'est-ce pas? Diesmal will ich ehrlich verfahren und es dir erklären. Paß auf. Im Schlaf – und besonders bei Alpdrücken, zum Beispiel infolge einer Magenverstimmung oder aus sonst einem Grund – träumt der Mensch manchmal so kunstvolle Dinge, so eine komplizierte, reale Wirklichkeit, Ereignisse oder sogar eine listig zusammengeknüpfte Welt von Ereignissen, mit unerwarteten Details, angefangen von euren höchsten Offenbarungen bis hinab zum letzten Knopf am Vorhemd, daß selbst ein Leo Tolstoi es nicht so genau schildern könnte und dabei träumen das manchmal Leute, die gar nicht mit großer Phantasie begabt, sondern ganz gewöhnliche Leute sind, Beamte, Feuilletonschreiber, Popen ... Manches ist geradezu ein Rätsel. So hat mir sogar ein Minister gestanden, daß ihm seine besten Ideen immer im Schlaf kommen. Na, und so ist es auch jetzt. Ich bin zwar nur deine Halluzination, aber ich rede, wie das auch im Traum der Fall ist, originelle Dinge, die dir bisher nicht in den Kopf gekommen sind, so daß ich nicht mehr bloß deine Gedanken wiederhole. Und dabei bin ich doch nur dein Traumgebilde, weiter nichts.«
    »Du lügst. Deine Absicht ist gerade, mir einzureden, daß du ein selbständiges Wesen bist und nicht mein Traumgebilde – und da behauptest du jetzt selber, du wärst das letztere.«
    »Mein Freund, heute habe ich eine besondere Methode angewandt, ich werde dir das nachher erläutern ... Warte mal, wo war ich stehengeblieben? Ja, wie ich mich damals erkältet hatte, aber nicht bei euch, sondern noch dort ...«
    »Wo dort? Sag mal, wirst du noch lange bei mir bleiben? Kannst du denn gar nicht verschwinden?« rief Iwan fast verzweifelt. Er hörte auf umherzugehen, setzte sich auf das Sofa, stützte wieder die Ellenbogen auf den Tisch und preßte den Kopf mit den Händen zusammen. Er riß sich das nasse Handtuch ab und warf es ärgerlich von sich; es hatte offenbar nicht geholfen.
    »Dein Nervensystem ist zerrüttet«, bemerkte der Gentleman ungeniert und lässig, doch durchaus liebenswürdig! »Du ärgerst dich über mich, weil ich mich habe erkälten können, und dabei hat es sich doch auf die natürlichste Weise von der Welt zugetragen. Ich wollte mich damals eilig zu einer diplomatischen Soiree bei einer hochgestellten Petersburger Dame begeben, die den Ehrgeiz hatte, Frau Minister zu werden. Na, ich hatte schon Frack, weiße Halsbinde und Handschuhe an, befand mich aber noch Gott weiß wo und mußte, um zu euch auf die Erde zu kommen, noch den Weltenraum durchfliegen. Gewiß, das dauert nur einen Augenblick, obwohl auch ein Lichtstrahl von der Sonne ganze acht Minuten braucht – aber stell dir das vor: Ich in Frack und ausgeschnittener Weste! Geister erfrieren zwar nicht, doch da ich mich bereits verkörpert hatte ...

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