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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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sich handelt, womöglich ›Hosianna!‹ schreien, und dann würde sogleich das unentbehrliche Minus verschwinden und in der ganzen Welt die Vernunft anheben, damit hätte jedoch selbstverständlich alles ein Ende, sogar die Zeitungen und Journale, denn wer würde sie dann noch abonnieren? Ich weiß, am Ende werde auch ich mich aussöhnen und meine Quadrillion Kilometer ablaufen und das Geheimnis erfahren. Aber bis es dahin kommt, schmolle ich und erfülle, meinen Ärger verbeißend, meine Bestimmung: Tausende zugrunde zu richten, damit ein einziger gerettet wird. Wieviel Seelen mußten zum Beispiel zugrunde gerichtet und wieviel ehrenhafte Reputationen verdorben werden, um nur den einen gerechten Hiob zustande zu bringen, mit dem ich seinerzeit so schändlich angeführt wurde! Nein, solange mir das Geheimnis nicht enthüllt ist, existieren für mich zwei Wahrheiten: erstens ihre dort, die mir vorläufig ganz unbekannt ist, und zweitens meine. Und es steht noch dahin, welche die reinere Wahrheit sein wird ... Du bist eingeschlafen?«
    »Gott bewahre!« stöhnte Iwan wütend! »Alles, was es in meinem Wesen Dummes gibt, längst Abgetanes, in meinem Verstand Wiedergekäutes, wie Aas Weggeworfenes – alles das setzt du mir wieder vor als etwas ganz Neues!«
    »Also habe ich es wieder nicht getroffen! Und ich hatte schon gehofft, durch die belletristische Darstellungsweise dein Interesse zu erregen. Dieses Hosianna im Himmel kam doch wirklich nicht übel heraus? Und dann eben dieser sarkastische Ton à la Heine 71 ! »Mein Sohn, denke immer daran, daß der Atheismus eine große Sünde ist, nicht wahr?«
    »Nein, ich bin nie so eine Knechtsseele gewesen. Wie hat meine Seele nur eine Bedientenseele wie dich hervorbringen können?«
    »Mein Freund, ich kenne einen ganz reizenden, allerliebsten jungen russischen Herrn, einen jungen Denker und großen Liebhaber von Literatur und geschmackvollen Dingen, den Verfasser eines vielversprechenden Werkes mit der Überschrift: ›Der Großinquisitor...‹ Allein den hatte ich dabei ins Auge gefaßt!«
    »Ich verbiete dir, von dem ›Großinquisitor‹ zu reden!« schrie Iwan, vor Scham rot geworden.
    »Na, und die ›Geologische Umwälzung‹? Erinnerst du dich? Das ist doch wirklich eine hübsche kleine Dichtung!«
    »Schweig, oder ich schlag dich tot!«
    »Nun willst du mich gar totschlagen? Nein, entschuldige, ich möchte mich doch aussprechen. Deswegen bin ich ja hergekommen, um dieses Vergnügen auszukosten. Oh, ich liebe die Schwärmereien meiner feurigen, vor Lebensdurst zitternden jungen Freunde! Dort gibt es neue Menschen, sagtest du dir noch im vorigen Frühjahr, als du im Begriff warst, hierherzufahren. Sie beabsichtigen, alles zu zerstören und wieder mit der Menschenfresserei zu beginnen. Die Dummköpfe! Warum haben sie mich nicht um Rat gefragt? Meiner Ansicht nach ist gar kein großes Zerstörungswerk erforderlich: Man braucht bei der Menschheit nur die Gottesidee zu zerstören – das ist der Punkt, an dem man das Werk in Angriff nehmen muß! Damit muß man anfangen – o die armen Blinden, die nichts begreifen! Wenn sich die Menschheit erst Mann für Mann von Gott losgesagt hat, und ich glaube, daß diese Periode ebenso wie die geologischen Perioden eintreten wird, dann wird die ganze frühere Weltanschauung und die ganze frühere Moral von selbst, ohne Menschenfresserei, zusammenstürzen, und etwas ganz Neues wird auf den Plan treten. Die Menschen werden sich zusammentun, um aus dem Leben alles herauszuholen, was das Leben geben kann, aber ausschließlich, um sich auf dieser Welt zu freuen und glücklich zu sein. Der Mensch wird höher und größer werden durch den Geist eines götterhaften, titanischen Stolzes, und der Mensch-Gott wird in Erscheinung treten. Indem der Mensch durch seinen Willen und die Wissenschaft stündlich und in unbegrenztem Maße die Natur besiegt, wird er eben dadurch stündlich einen so hohen Genuß empfinden, daß dieser ihm alle früheren Hoffnungen auf himmlische Genüsse ersetzen wird. Jeder wird erkennen, daß er ganz und gar sterblich ist, ohne Auferstehung, und wird den Tod stolz und ruhig hinnehmen wie ein Gott. Er wird aus Stolz einsehen, daß er keinen Grund hat zu murren, weil das Leben so schnell vergeht, und er wird seinen Bruder nun lieben, ohne Lohn dafür zu erwarten. Er wird seine Liebe auf das kurze Leben beschränken müssen; doch schon allein durch das Bewußtsein, daß sie nur so kurze Zeit dauern kann, wird sie um so

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