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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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weißt du, du möchtest, daß sie dich loben. Er ist ein Verbrecher! sollen sie sagen. Ein Mörder, doch was hat er für hochherzige Gefühle! Er hat seinen Bruder retten wollen und darum seine Tat gestanden!‹ Aber das ist wieder eine Lüge, Aljoscha!« rief Iwan plötzlich mit funkelnden Augen! »Ich will gar nicht, daß mich dieses Gesindel lobt! Das ist eine Lüge von ihm, Aljoscha, eine Lüge, das schwöre ich dir! Ich habe deshalb mit dem Glas nach ihm geworfen, und es ist an seiner Fratze zerbrochen.«
    »Bruder, beruhige dich! Hör auf!« bat Aljoscha.
    »Nein, er versteht es, einen zu quälen, er ist grausam«, fuhr Iwan fort, ohne auf ihn zu hören! »Ich habe immer geahnt, weshalb er kommt. ›Wenn es auch der Stolz war‹, sagt er, ›der dich trieb, so hattest du dabei doch immer die Hoffnung, sie würden Smerdjakow für schuldig erkennen und zur Zwangsarbeit nach Sibirien schicken, würden Mitja freisprechen und dich nur moralisch verurteilen, und die anderen würden dich uneingeschränkt loben. Doch nun ist Smerdjakow tot, hat sich erhängt – na, wer wird dir vor Gericht jetzt Glauben schenken? Aber du wirst ja trotzdem hingehen, du hast beschlossen hinzugeben. Zu welchem Zweck wirst du unter diesen Umständen hingehen?‹ Das ist furchtbar, Aljoscha! Ich kann solche Fragen nicht ertragen. Wer wagt es, mir solche Fragen vorzulegen?«
    »Bruder«, unterbrach ihn Aljoscha, der noch immer zu hoffen schien, er könnte Iwan zur Vernunft zurückbringen! »Wie konnte er dir denn vor meinem Kommen von Smerdjakows Tod erzählen, als noch niemand etwas davon wußte und niemand bei der Kürze der Zeit etwas davon hatte erfahren können?«
    »Er hat davon gesprochen«, erwiderte Iwan in entschlossenem Ton, als wollte er jeden Zweifel zurückweisen! »Ja, eigentlich hat er nur davon gesprochen. ›Und wenn du wenigstens noch an die Tugend glaubtest‹, sagt er. ›Dann könntest du dir sagen: Mögen sie mir auch nicht glauben, ich werde aus Prinzip hingehen! Aber du bist ja genauso ein Ferkel wie Fjodor Pawlowitsch, und was bedeutet dir schon die Tugend? Wozu dorthin laufen, wenn dein Opfer doch nichts nutzt? Nur weil du selbst nicht weißt, wozu du hingehst! Oh, du würdest viel darum geben, wenn du erfahren könntest, wozu du hingehst. Und hast du dich denn wirklich entschlossen? Du hast dich noch nicht entschlossen. Du wirst die ganze Nacht sitzen und überlegen: Soll ich hingehen oder nicht? Aber du wirst trotzdem hingehen, und du weißt, daß du hingehen wirst. Du weißt selbst, daß die Entscheidung nicht mehr von dir abhängt, wofür du dich auch entscheiden magst. Du wirst hingehen, weil du nicht wagst wegzubleiben. Warum du es nicht wagst – das errate selbst! Das ist ein Rätsel, das ich dir aufgebe!‹ Er stand auf und ging. Du kamst, und er ging. Er hat mich einen Feigling genannt, Aljoscha! Le mot de l'énigme ist, daß ich ein Feigling bin ... ›Nicht solchen ist's vergönnt, sich adlergleich ins hohe Reich des Äthers zu erheben!‹, das fügte er noch hinzu! Und Smerdjakow hat dasselbe gesagt. Totschlagen müßte man ihn! Katja verachtet mich, das sehe ich schon seit einem Monat, und auch Lisa beginnt mich zu verachten! ›Du wirst hingehen, damit sie dich loben!‹ Das ist eine bestialische Lüge! Und auch du verachtest mich, Aljoscha! Jetzt fange ich dich wieder an zu hassen! Auch den Unmenschen hasse ich! Ich will den Unmenschen nicht retten, soll er bei der Zwangsarbeit verfaulen! Eine Hymne hat er angestimmt! Oh, ich werde morgen hingehen! Ich werde vor sie hintreten und ihnen allen ins Gesicht spucken!«
    Außer sich sprang er auf, warf das Handtuch von sich und begann erneut im Zimmer auf und ab zu gehen. Aljoscha mußte an die Worte denken, die er kurz vorher gesprochen hatte: »Ich schlafe sozusagen im Wachen. Ich gehe, rede und sehe, aber ich schlafe,« Genau diesen Eindruck machte er jetzt. Aljoscha verließ ihn nicht. Flüchtig ging ihm der Gedanke durch den Kopf, zum Arzt zu laufen und ihn herzuholen, doch er fürchtete sich, den Bruder allein zu lassen; es war niemand da, dem er ihn hätte anvertrauen können. Schließlich verlor Iwan die Besinnung allmählich ganz. Er redete immer noch weiter, ohne Pause, aber schon ganz verworren. Er sprach sogar die Worte mangelhaft aus und begann auf einmal stark zu schwanken. Aljoscha konnte ihn gerade noch rechtzeitig stützen. Iwan ließ sich zu seinem Bett führen; Aljoscha kleidete ihn mit einiger Mühe aus und legte ihn hin. Er selbst

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