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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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den ersten Momenten der Verhandlung an eine charakteristische Eigenschaft dieses Prozesses deutlich hervortrat, nämlich die außerordentliche Wucht der Anklage im Vergleich zu den Mitteln, über die die Verteidigung verfügte. Das begriffen alle im ersten Augenblick, als man in diesem Gerichtssaal anfing, die Tatsachen zusammenzustellen und zu gruppieren, und diese ganze schreckliche Bluttat allmählich deutlicher hervortrat. Vielleicht kamen alle schon in den ersten Stadien der Verhandlung zu der Überzeugung, daß hier überhaupt kein Streit möglich war, daß die Sache keinem Zweifel unterlag und gar keine Plädoyers nötig waren, daß sie nur der Form halber gehalten werden mußten: daß der Angeklagte mit Sicherheit schuldig war. Ich glaube sogar, daß auch alle Damen ausnahmslos von seiner Schuld überzeugt waren, obwohl sie so leidenschaftlich die Freisprechung des interessanten Angeklagten wünschten. Ja noch mehr: Mir scheint, sie wären sogar betrübt gewesen, wenn sich seine Schuld nicht bestätigt hätte, weil dann sein Freispruch keine so effektvolle Lösung des Knotens gewesen wäre. Daß er jedoch freigesprochen werden würde, dessen waren sich merkwürdigerweise alle Damen fast bis zum letzten Augenblick sicher. »Er ist schuldig«, meinten sie, »aber man wird ihn freisprechen aus Humanität, auf Grund der neuen Ideen, die jetzt aufgekommen sind« – und so weiter und so fort. Eben deshalb waren sie ja mit solchem Eifer zur Verhandlung gelaufen. Die Männer dagegen interessierten sich besonders für den Kampf zwischen dem Staatsanwalt und dem berühmten Fetjukowitsch. Alle fragten sich verwundert: Was kann selbst ein Talent wie Fetjukowitsch aus so einer verlorenen Sache, aus so einem ausgegessenen Ei machen? Und darum verfolgten sie sein Vorgehen Schritt für Schritt mit gespannter Aufmerksamkeit. Fetjukowitsch aber blieb bis zuletzt, bis zu seiner Rede, für alle ein Rätsel. Erfahrene Leute vermuteten, daß er eine bestimmte Methode befolgte, daß er sich schon einen Plan zurechtgelegt hatte und auf ein Ziel zusteuerte – doch was das für ein Ziel war, blieb dunkel. Seine Zuversichtlichkeit aber und sein Selbstvertrauen fielen jedem auf. Außerdem nahmen alle mit Vergnügen wahr, daß er während seines kurzen, etwa dreitägigen Aufenthalts bei uns auf erstaunliche Weise bis in die feinsten Feinheiten der Prozeßsache eingedrungen war. Mit Genuß erzählte man zum Beispiel später, wie er es verstanden hatte, alle Zeugen des Staatsanwalts zur rechten Zeit »hineinzulegen«, sie nach Möglichkeit zu verwirren, vor allem aber ihren moralischen Ruf zu beflecken und dadurch auch den Wert ihrer Aussage herabzumindern. Man nahm übrigens an, daß er das in der Hauptsache nur so zum Spiel tat, sozusagen um des juristischen Glanzes willen, damit nichts von den üblichen Advokatenkniffen vergessen wurde; denn alle waren davon überzeugt, daß er einen entscheidenden Nutzen durch alle diese »Befleckungen« nicht erzielen konnte und daß er das wahrscheinlich selbst am allerbesten einsah, daß er aber eine eigene Idee in Reserve hatte, irgendeine vorläufig noch verborgene Verteidigungswaffe, die er zum rechten Zeitpunkt plötzlich hervorholen würde. Einstweilen schien er jedoch im Bewußtsein seiner Kraft zu spielen und Mutwillen zu treiben. Als zum Beispiel Fjodor Pawlowitschs ehemaliger Diener Grigori Wassiljewitsch vernommen wurde, der die besonders belastende Aussage über die offene Tür machte, da krallte sich der Verteidiger geradezu an ihm fest, als er mit seinen Fragen an die Reihe kam. Grigori Wassiljewitsch war mit ruhiger und beinahe stolzer Miene in den Saal getreten, ohne sich im geringsten verwirren zu lassen, weder durch die Feierlichkeit des Gerichts noch durch die Anwesenheit des gewaltigen zuhörenden Publikums. Er machte seine Aussagen in so sicherem Ton, als ob er unter vier Augen mit seiner Marfa Ignatjewna spräche, nur sprach er respektvoller. Ihn verwirren zu wollen war ein Ding der Unmöglichkeit. Zuerst befragte ihn der Staatsanwalt lange über alle möglichen Einzelheiten, die sich auf die Familie Karamasow bezogen. Das Bild dieses Familienlebens wurde sehr deutlich sichtbar, und man hörte und sah, daß der Zeuge aufrichtig und unparteiisch war. Bei allem tiefen Respekt vor dem Andenken seines ehemaligen Herrn erklärte er zum Beispiel doch, dieser sei zu Mitja ungerecht gewesen und habe »für das Aufwachsen seiner Kinder nicht so gesorgt, wie es sich gehörte«. –

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