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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Spiritus – das ist nicht übel, meinen Sie nicht auch? Da kann man sogar die Pforten des Paradieses offen sehen – nicht nur eine Tür zum Garten.«
    Grigori schwieg immer noch. Wieder ertönte leises Lachen im Saal; der Präsident wurde etwas unruhig.
    »Wissen Sie genau«, setzte ihm Fetjukowitsch weiter zu, »ob Sie in dem Augenblick, als Sie die Tür zum Garten offenstehen sahen, schliefen oder nicht?«
    »Ich stand ja doch auf meinen Füßen.«
    »Das ist noch kein Beweis dafür, daß Sie nicht schliefen.« Wieder leises Lachen im Saal. »Hätten Sie zum Beispiel in dem Moment antworten können, wenn jemand Sie etwas gefragt hätte – zum Beispiel, welches Jahr wir jetzt haben?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Was haben wir denn jetzt für ein Jahr unserer Zeitrechnung, nach Christi Geburt? Wissen Sie das nicht?«
    Grigori stand fassungslos da und starrte den Verteidiger an. Merkwürdigerweise machte es den Eindruck, als wüßte er wirklich nicht, was wir für ein Jahr haben.
    »Vielleicht wissen Sie aber, wieviel Finger Sie an den Händen haben?«
    »Ich bin ein unfreier Mensch«, sagte Grigori plötzlich laut und deutlich. »Wenn es der Obrigkeit beliebt, sich über mich lustig zu machen, muß ich das ertragen.«
    Fetjukowitsch schien diese Antwort ein wenig stutzig zu machen; doch auch der Präsident griff ein und machte den Verteidiger belehrend darauf aufmerksam, er möchte mehr Fragen zur Sache stellen. Fetjukowitsch hörte das an, verbeugte sich mit Würde und erklärte, daß er mit seinen Fragen fertig sei. Natürlich konnte beim Publikum wie auch bei den Geschworenen ein kleines Würmchen des Zweifels an der Aussage eines Menschen zurückgeblieben sein, der in einem allbekannten Zustand seiner Kur die Möglichkeit gehabt hatte, »die Pforten des Paradieses zu sehen«, und der außerdem nicht einmal wußte, welches Jahr nach Christi Geburt wir jetzt haben. Bevor Grigori abtrat, gab es noch einen Zwischenfall. An den Angeklagten gewandt, fragte der Präsident, ob er zu den Aussagen etwas zu bemerken habe.
    »Bis auf das mit der Tür hat er in allem die Wahrheit gesagt«, rief Mitja laut. »Daß er mir die Läuse ausgekämmt hat, dafür danke ich ihm. Daß er mir die Mißhandlung verziehen hat, dafür danke ich ihm. Der alte Mann war sein Leben lang ehrenhaft und meinem Vater treu wie siebenhundert Pudel.«
    »Angeklagter, wählen Sie Ihre Worte besser!« sagte der Präsident streng.
    »Ich bin kein Pudel«, brummte auch Grigori.
    »Na, dann will ich der Pudel sein, ich selber!« rief Mitja. »Wenn das beleidigend ist, so beziehe ich es auf mich und bitte ihn um Verzeihung. Ich war eine Bestie und habe ihn roh behandelt! Auch den alten Satyr habe ich roh behandelt.«
    »Welchen alten Satyr?« fragte der Präsident wieder.
    »Na, den Clown ... Meinen Vater, Fjodor Pawlowitsch.«
    Der Präsident schärfte Mitja wieder und wieder aufs nachdrücklichste und strengste ein, seine Ausdrücke doch vorsichtiger zu wählen.
    »Sie schaden sich selbst in der Meinung Ihrer Richter.«
    Ebenso geschickt verfuhr der Verteidiger auch bei der Vernehmung des Zeugen Rakitin. Rakitin war einer der wichtigsten Zeugen, und der Staatsanwalt legte auf ihn zweifellos hohen Wert. Es stellte sich heraus, daß er alles wußte, erstaunlich viel wußte, überall dabeigewesen war, alles gesehen und mit allen gesprochen hatte und auf das genaueste die Biographie Fjodor Pawlowitschs und überhaupt aller Karamasows kannte. Über das Kuvert mit den dreitausend Rubeln hatte allerdings auch er nur von Mitja etwas gehört. Dafür schilderte er eingehend Mitjas Streiche in dem Restaurant »Zur Residenz«, alle Worte und Gebärden, mit denen dieser sich kompromittiert hatte, und erzählte auch die Geschichte von dem »Bastwisch«, dem Bärtchen es Stabskapitäns Snegirjow. Über den wichtigen Punkt, ob Fjodor Pawlowitsch bei der Abrechnung über das Gut seinem Sohn Mitja etwas schuldig geblieben war, konnte aber selbst Rakitin nichts aussagen und behalf sich mit geringschätzigen Redensarten allgemeiner Art. »Welcher Mensch«, sagte er, »hätte herausfinden können, wer von ihnen die Schuld trug, und nachrechnen, wer wem etwas schuldig geblieben war bei der sinnlosen Karamasowerei dort, wo keiner eine Spur von Selbsterkenntnis hatte.« Die ganze Tragödie des Verbrechens stellte er dar als ein Produkt der veralteten Sitten des Leibeigenschaftssystems und als eine Folge der Unordnung und des Mangels an zweckentsprechenden Einrichtungen,

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