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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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worunter Rußland so leide. Kurz, er durfte sich frei aussprechen. Herr Rakitin trat bei diesem Prozeß zum erstenmal in der Öffentlichkeit auf und begann sofort die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; der Staatsanwalt wußte, daß der Zeuge einen Aufsatz über das vorliegende Verbrechen für ein Journal in Arbeit hatte, und zitierte später in seiner Rede, wie wir sehen werden, einige Gedanken aus diesem ihm also bereits bekannten Aufsatz. Das Bild, das der Zeuge entwarf, war düster und unterstützte die Anklage stark. Darüber hinaus aber fesselten Rakitins Darlegungen das Publikum durch die Selbständigkeit der Gedanken und die außerordentliche Vornehmheit der Gesinnung. Zwei- oder dreimal ließ sich sogar spontaner Applaus vernehmen, besonders an den Stellen, wo Rakitin von der Leibeigenschaft und von dem unter der Unordnung leidenden Rußland sprach. Dennoch beging Rakitin – ein junger Mensch – einen kleinen Fehler, den der Verteidiger sogleich vorzüglich ausnutzte. Als er nämlich auf gewisse Fragen über Gruschenka antwortete, ließ er sich von seinem Erfolg, dessen er sich natürlich schon bewußt war, und von der Höhe der Vornehmheit, zu der er sich emporgeschwungen hatte, hinreißen und erlaubte sich, von Agrafena Alexandrowna etwas verächtlich als von der »Mätresse des Kaufmanns Samsonow« zu sprechen. Er hätte später viel darum gegeben, dieses Wort ungesprochen zu machen; denn, wegen dieses Wortes packte ihn Fetjukowitsch sogleich beim Kragen. Und alles nur, weil Rakitin nicht damit gerechnet hatte, daß sich jener in so kurzer Zeit mit der Prozeßsache bis in die intimen Einzelheiten hatte vertraut machen können.
    »Gestatten Sie eine Frage«, begann der Verteidiger mit höchst liebenswürdigem und sogar respektvollem Lächeln, als die Reihe, Fragen zu stellen, an ihn kam. »Sie sind gewiß eben jener Herr Rakitin, dessen von der bischöflichen Behörde herausgegebene Broschüre ›Das Leben des in Gott entschlafenen Starez Sossima‹ ein Büchlein voll tiefer religiöser Gedanken mitsamt der ausgezeichneten frommen Widmung an Seine Eminenz, ich unlängst mit solchem Genuß gelesen habe?«
    »Ich hatte es nicht für den Druck geschrieben ... Es ist dann nachher gedruckt worden«, murmelte Rakitin; er schien auf einmal etwas verblüfft zu sein und sich beinahe zu schämen.
    »Oh, das ist ja schön! Ein Denker wie Sie kann und muß zu jeder Erscheinung des sozialen Lebens vorurteilsfrei Stellung nehmen. Durch die Protektion Seiner Eminenz hat Ihre höchst nützliche Broschüre starken Absatz gehabt und entsprechenden Nutzen gebracht ... Aber was ich fragen wollte: Sie sagten soeben, Sie seien mit Fräulein Swetlowa sehr nahe bekannt?« Nebenbei: ich erfuhr an diesem Tag während der Verhandlung zum erstenmal, daß Gruschenkas Familienname Swetlowa war.
    »Ich kann nicht für alle meine Bekanntschaften eine Verantwortung übernehmen ... Ich bin ein junger Mann... Und wer kann schon für alle Leute einstehen, mit denen er in Berührung kommt?« erwiderte Rakitin einigermaßen aufgebracht.
    »Ich verstehe, verstehe vollkommen!« rief Fetjukowitsch, als wäre er selbst verlegen und beeile sich, eine Entschuldigung vorzubringen. »Sie durften wie jeder andere durchaus ein eigenes Interesse daran haben, mit einer jungen schönen Frau bekannt zu werden, die gern die Blüte der hiesigen Jugend bei sich empfing, aber ... Ich wollte nur fragen: Es ist uns bekannt, daß Fräulein Swetlowa vor zwei Monaten dringend mit dem jüngsten Karamasow, Alexej Fjodorowitsch, bekannt zu werden wünschte und Ihnen nur dafür, daß Sie ihn zu ihr brachten, und zwar in seinem damaligen Mönchsgewand, fünfundzwanzig Rubel versprach, wenn Ihnen das wirklich gelingen sollte. Das kam, wie ebenfalls bekannt ist, am Abend jenes tragischen Tages zustande, der den Anlaß des jetzigen Prozesses bildet. Sie brachten Alexej Karamasow zu Fräulein Swetlowa – bekamen Sie nun diese fünfundzwanzig Rubel Belohnung von Fräulein Swetlowa? Das ist es, was ich gern von Ihnen hören möchte.«
    »Das war ein Scherz ... Ich sehe nicht ein, wieso Sie das interessieren kann. Ich habe sie aus Spaß genommen ... Um sie später zurückzugeben ...«
    »Also Sie haben sie genommen. Und bis jetzt haben Sie sie ja wohl nicht zurückgegeben ... Oder haben Sie es doch getan?«
    »Das ist doch ganz belanglos ...«, murmelte Rakitin. »Ich kann auf solche Fragen nicht antworten ... Ich werde sie natürlich zurückgeben ...«
    Der Präsident

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