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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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anzusehen; er hielt sogar den Kopf gesenkt, als sei er in finsterem Nachdenken über etwas begriffen. Gekleidet war er tadellos, doch sein Gesicht machte einen kranken Eindruck, wenigstens auf mich; es war, als ob ihm schon der Tod sein Zeichen aufgedrückt hätte: Es erinnerte an das Gesicht eines Sterbenden. Seine Augen waren trübe; als er sie aufhob und langsam durch den Saal wandern ließ, sprang Aljoscha plötzlich laut stöhnend von seinem Stuhl auf. Auch dies bemerkte so gut wie niemand, aber ich erinnere mich daran.
    Der Präsident begann mit dem Hinweis darauf, daß er ein unvereidigter Zeuge sei. Er könne also aussagen oder schweigen, doch müsse er in allem, was er aussage, natürlich gewissenhaft bei der Wahrheit bleiben, und so weiter und so fort. Iwan Fjodorowitsch hörte zu und sah ihn mit trübem Blick an. Auf einmal verzog sich sein Gesicht langsam zu einem Lächeln, und kaum hatte der Präsident aufgehört zu reden, als er plötzlich loslachte.
    »Nun, und was noch?« fragte er laut.
    Alles im Saal wurde still, man schien etwas zu ahnen. Der Präsident wurde unruhig.
    »Sie ... Sie sind vielleicht noch nicht ganz gesund?« sagte er und suchte mit den Augen nach dem Gerichtsinspektor.
    »Beunruhigen Sie sich nicht, Exzellenz. Ich bin hinreichend gesund und kann Ihnen etwas Interessantes erzählen«, antwortete Iwan Fjodorowitsch auf einmal ganz ruhig und respektvoll.
    »Haben Sie uns irgendeine besondere Mitteilung zu machen?« fuhr der Präsident, noch immer mißtrauisch, fort.
    Iwan ließ den Kopf sinken, zögerte einige Sekunden und antwortete dann, indem er den Kopf wieder hob, stockend und stotternd: »Nein, das nicht ... Ich habe nichts Besonderes.«
    Man legte ihm Fragen vor. Er antwortete offensichtlich ungern, absichtlich kurz, mit einem gewissen Widerwillen, der mehr und mehr wuchs, obwohl seine Antworten doch vernünftig klangen. Auf viele Fragen erwiderte er, er wisse nichts davon. Von den Abrechnungen des Vaters mit Dmitri Fjodorowitsch wußte er nichts. »Ich habe mich darum nicht gekümmert«, sagte er. Drohungen, den Vater totzuschlagen, hatte er von dem Angeklagten gehört. Von dem Geld in dem Kuvert hatte er durch Smerdjakow erfahren ...
    »Immer ein und dasselbe«, unterbrach er sich plötzlich mit müde aussehender Miene. »Ich kann dem Gericht nichts Besonderes mitteilen.«
    »Ich sehe, daß Sie sich nicht wohl fühlen, und verstehe ihre Gefühle ...«, sagte der Präsident und wandte sich dann mit der Aufforderung an den Staatsanwalt und den Verteidiger, dem Zeugen Fragen vorzulegen, wenn sie es für nötig hielten. Plötzlich bat Iwan Fjodorowitsch mit ganz erschöpfter Stimme: »Entlassen Sie mich, Exzellenz. Ich fühle mich sehr unwohl.«
    Nach diesen Worten drehte er sich um, ohne eine Erlaubnis abzuwarten, und schickte sich an, den Saal zu verlassen. Doch als er vier Schritte gegangen war, blieb er stehen, als hätte er sich plötzlich etwas überlegt, lächelte leise und kehrte wieder auf seinen Platz zurück.
    »Exzellenz, ich bin wie das bewußte Bauernmädchen ... Sie kennen wohl die Geschichte ... Man hält ihr das Brautkleid hin, damit sie es anzieht und zur Trauung fährt, sie aber sagt: ›Wenn ich will, ziehe ich es nicht an.‹ Das ist wohl ein besonderer Zug unseres Volkscharakters ...«
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte der Präsident streng.
    »Sehen Sie«, sagte Iwan Fjodorowitsch und zog ein Päckchen Banknoten hervor. »Hier ist das Geld ... Dasselbe Geld, das in jenem Kuvert da steckte ...« Er deutete mit dem Kopf nach dem Tisch mit den Beweisstücken. »Das Geld, dessentwegen mein Vater ermordet worden ist. Wohin soll ich es legen? Herr Gerichtsinspektor, übergeben Sie es!«
    Der Gerichtsinspektor nahm das Päckchen in Empfang und übergab es dem Präsidenten.
    »Auf welche Weise ist dieses Geld in Ihre Hände gelangt – wenn es wirklich dasselbe Geld ist?« fragte der Präsident erstaunt.
    »Ich habe es von Smerdjakow erhalten, von dem Mörder, gestern ... Ich war bei ihm, bevor er sich erhängte. Er ist es gewesen, der meinen Vater ermordet hat, nicht mein Bruder. Er hat ihn ermordet, und ich habe ihn zu dem Mord angestiftet ... Wer wünscht nicht den Tod seines Vaters? ...«
    »Sind Sie bei Verstand oder nicht?« entfuhr es dem Präsidenten unwillkürlich.
    »Das ist es ja eben, daß ich bei Verstand bin ... und zwar bei hundsgemeinem Verstand, genauso einem, wie Sie ihn haben und alle diese Menschen mit den ekligen Fratzen!« Bei den letzten

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