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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Finsternis, treten Sie auf die Schwelle, weiter nichts ... Es ist Ihre Pflicht, Ihre Pflicht, das zu tun!« schloß Aljoscha, das Wort »Pflicht« besonders stark betonend.
    »Meine Pflicht schon ... Aber ... Ich kann nicht«, stöhnte Katja. »Er wird mich ansehen ... Ich kann nicht.«
    »Ihre Augen müssen seinen begegnen. Wie wollen Sie Ihr ganzes Leben über leben, wenn Sie sich jetzt nicht dazu entschließen?«
    »Lieber will ich mein Leben lang leiden.«
    »Es ist Ihre Pflicht hinzugehen!« wiederholte Aljoscha mit unerbittlichem Nachdruck.
    »Aber warum heute, warum jetzt gleich ... Ich kann doch den Kranken nicht allein lassen ...«
    »Für einen Moment können Sie es, und es handelt sich ja nur um einen Moment. Wenn Sie nicht kommen, wird sich bei ihm heftiges Fieber zur Nacht einstellen. Ich sage doch nicht die Unwahrheit. Haben Sie Mitleid!«
    »Haben Sie mit mir Mitleid!« erwiderte Katja mit bitterem Vorwurf und fing an zu weinen.
    »Also Sie werden kommen!« sagte Aljoscha in festem Ton, als er ihre Tränen sah. »Ich werde hingehen und ihm sagen, daß Sie gleich kommen werden.«
    »Nein, sagen Sie ihm das um keinen Preis!« rief Katja erschrocken. »Ich werde kommen, aber sagen Sie es ihm nicht vorher! Ich werde kommen, vielleicht aber nicht hineingehen ... Ich weiß es noch nicht ...«
    Die Stimme versagte ihr, sie atmete nur mit Mühe. Aljoscha stand auf, um zu gehen.
    »Und wenn ich dort jemandem begegne?« sagte sie auf einmal leise; sie war wieder ganz blaß geworden.
    »Eben deshalb müssen Sie jetzt gleich gehen, damit Sie dort niemandem begegnen. Es wird niemand dasein, das sage ich Ihnen zuverlässig. Wir werden Sie erwarten« schloß er nachdrücklich und verließ das Zimmer.
     

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2.
Für einen Augenblick wird die Lüge zur Wahrheit
     
    Er eilte in das Krankenhaus, wo Mitja jetzt lag. Am zweiten Tag nach der Verurteilung war er an einem Nervenfieber erkrankt, und man hatte ihn in die Gefangenenabteilung unseres städtischen Krankenhauses gebracht. Der Arzt Warwinski hatte dem kranken Mitja auf Bitten Aljoschas und vieler anderer (Frau Chochlakowa, Lisa u. a.) seinen Platz nicht bei den Gefangenen, sondern gesondert angewiesen, in demselben Kämmerchen, wo einstmals Smerdjakow gelegen hatte. Allerdings stand am Ende des Korridors eine Wache, und das Fenster war vergittert; Warwinski konnte also wegen seiner nicht ganz gesetzlichen Nachsicht beruhigt sein. Er war ein guter, mitfühlender junger Mann, der Verständnis dafür hatte, wie peinlich es einem Menschen wie Mitja sein mußte, so unvermittelt in die Gesellschaft von Mördern und Gaunern zu kommen; er sah ein, daß man sich daran erst allmählich gewöhnen mußte. Besuche von Verwandten und Bekannten waren erlaubt worden, sowohl vom Arzt als auch vom Gefängnisinspektor, sogar vom Bezirkshauptmann – alles natürlich unterderhand. Aber in diesen Tagen hatten Mitja immer nur Aljoscha und Gruschenka besucht. Zweimal hatte auch Rakitin den Versuch gemacht, doch Mitja hatte den Arzt Warwinski dringend gebeten, ihn nicht hereinzulassen.
    Aljoscha fand ihn auf dem Bett sitzend, im Krankenschlafrock; er fieberte ein wenig und hatte um den Kopf ein Handtuch, das mit verdünntem Essig angefeuchtet war. Er sah Aljoscha mit einem unbestimmten Blick an; dennoch schien in diesem Blick ein leiser Schimmer von Angst zu liegen.
    Überhaupt war er seit der Gerichtsverhandlung sehr nachdenklich geworden. Manchmal saß er stundenlang da, schien angestrengt über etwas nachzudenken und anwesende Besucher ganz zu vergessen. Wenn er aber aus seiner Versonnenheit erwachte und zu reden begann, so immer ganz plötzlich, und zwar stets von etwas anderem, als zu erwarten gewesen wäre. Manchmal sah er seinen Bruder mit einem Ausdruck tiefen Schmerzes an. Bei Gruschenkas Besuchen schien ihm leichter ums Herz zu sein. Zwar redete er mit ihr fast gar nicht; doch sowie sie eintrat, strahlte sein ganzes Gesicht vor Freude. Aljoscha setzte sich schweigend neben ihn aufs Bett. Diesmal hatte Mitja ihn voller Unruhe erwartet, wagte aber nicht, ihn nach etwas zu fragen. Er hielt es für undenkbar, daß Katja einwilligen würde, zu ihm
    zu kommen, und fühlte gleichzeitig, daß etwas Besonderes, Schreckliches geschehen würde, falls sie nicht käme. Aljoscha verstand seine Gefühle.
    »Trifon Borissowitsch«, begann Mitja hastig, »hat sein ganzes Gasthaus ruiniert, heißt es. Dielen und Bretter soll er herausgerissen und die ganze Galerie in kleine Späne zerschlagen

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