Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
dich böse geworden, und du bestätigst das« – nur damit sie etwas anzugeben hätten und so loskämen. Aljoscha wußte, dergleichen war in der Tat manchmal vorgekommen. Er wußte ferner, manche in der Brüderschaft waren auch darüber sehr ungehalten, daß dem Brauch gemäß sogar die Briefe, die die Einsiedler von Verwandten erhielten, zuerst dem Starez gebracht wurden, damit er sie öffnete und noch vor den Empfängern las. Der zugrunde liegende Gedanke war natürlich, daß dies alles freiwillig und in aufrichtiger Gesinnung geschehen müsse, von ganzer Seele im Interesse von Demut und Seelenheil; doch in Wirklichkeit unterlief dabei, wie sich herausstellte, manchmal auch viel Unaufrichtigkeit, Verstellung und Falschheit. Aber die Bejahrtesten und Erfahrensten aus der Brüderschaft bestanden auf dieser Einrichtung; sie sagten, für diejenigen, die aufrichtigen Sinnes in diese Mauern eingetreten seien, um ihre Seelen zu retten, erwiesen sich alle diese Übungen im Gehorsam und diese Taten der Selbstverleugnung zweifellos als heilsam und brächten großen Nutzen. Wer sich durch sie beschwert fühle und darüber murre, sei kein richtiger Mönch und sei nur zu Unrecht in das Kloster eingetreten: dessen Platz sei in der Welt. Sich vor der Sünde und dem Teufel zu schützen sei nicht nur in der Welt, sondern auch an heiliger Stätte unmöglich, daher dürfe man gegen die Sünde keine Nachsicht üben.
    »Er ist sehr schwach geworden, Schlafsucht hat ihn überkommen«, sagte Vater Paissi zu Aljoscha, nachdem er ihm den Segen erteilt hatte. »Es ist sogar schwer, ihn zu wecken, aber das ist ja auch nicht nötig. Für etwa fünf Minuten ist er vorhin aufgewacht. Er bat, der Brüderschaft seinen Segen zu bringen; sie möchte in der Nacht für ihn beten. Morgen beabsichtigt er noch einmal das Abendmahl zu nehmen. Von dir hat er gesprochen, Alexej. Er fragte, ob du gegangen seist; wir antworteten, du seiest in der Stadt. ›Dazu habe ich ihn auch gesegnet, dort ist einstweilen sein Platz, nicht hier!‹ äußerte er sich über dich. Voll Liebe und Fürsorge gedachte er deiner. Fühlst du auch, welches Vorzuges du gewürdigt worden bist? Warum mag er nur die Bestimmung getroffen haben, daß du einstweilen noch in der Welt sein sollst? Offenbar sieht er etwas in deinem Schicksal voraus? Sei dir bewußt, Alexej, wenn du in die Welt zurückkehrst, darfst du das nur tun als eine dir vom Starez auferlegte Übung im Gehorsam, nicht aber zu irdischem Leichtsinn und weltlicher Freude!«
    Vater Paissi ging hinaus. Daß der Starez im Sterben lag, daran bestand für Aljoscha kein Zweifel, obwohl er noch einen oder zwei Tage leben konnte. Trotz seines Versprechens, den Vater, Chochlakows, seinen Bruder Iwan und Katerina Iwanowna zu besuchen, nahm sich Aljoscha in der Erregung seines Herzens fest vor, am folgenden Tag das Kloster nicht zu verlassen und bei seinem Starez zu bleiben, bis zu dessen Hinscheiden. Sein Herz entbrannte in Liebe, und er machte sich bittere Vorwürfe darüber, daß er in der Stadt einen Augenblick lang sogar den vergessen konnte, den er im Kloster auf dem Totenbett verlassen hatte und den er höher schätzte als alles andere in der Welt. Er ging in das kleine Schlafzimmer des Starez, fiel auf die Knie und verbeugte sich vor dem Schlafenden bis zur Erde. Der schlief ruhig und ohne sich zu bewegen; er atmete gleichmäßig, aber schwach und fast unmerklich. Sein Gesicht war ruhig.
    In das andere Zimmer zurückgekehrt, in welchem der Starez am Vormittag die Gäste empfangen hatte, entkleidete sich Aljoscha fast gar nicht, zog nur die Stiefel aus und legte sich auf das harte, schmale, kleine Ledersofa, auf dem er immer schlief, schon lange, jede Nacht, nur mit einem Kopfkissen. Die Matratze, von der sein Vater an diesem Tag gesprochen hatte, legte er schon lange nicht mehr unter. Er zog nur seine Kutte aus und deckte sich mit ihr wie mit einem Oberbett zu. Vor dem Hinlegen fiel er jedoch auf die Knie und betete lange. In seinem heißen Gebet bat er Gott nicht, ihm seine Verwirrung zu klären; es verlangte ihn nur nach einer freudigen Rührung, nach jener früheren Rührung, die immer in seine Seele eingekehrt war, wenn er – und darin bestand gewöhnlich sein ganzes Nachtgebet – Gott gelobt und gepriesen hatte. Diese Freudigkeit, die in seine Seele einzog, pflegte ihm stets einen leichten, ruhigen Schlaf zu bringen. Als er jetzt betete, fühlte er plötzlich zufällig in der Tasche je es kleine rosa Kuvert, das ihm

Weitere Kostenlose Bücher