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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Katerina Iwanownas Dienerin auf der Straße gegeben hatte. Er geriet etwas durcheinander, beendete jedoch sein Gebet. Dann, nach einigem Zaudern, öffnete er das Kuvert. Darin steckte ein Briefchen an ihn, unterzeichnet: »Lise« – also von der Tochter der Frau Chochlakowa, die am Vormittag beim Starez so über ihn gelacht hatte.
    »Alexej Fjodorowitsch«, schrieb sie, »ich schreibe Ihnen, ohne daß ein Mensch davon weiß, auch ohne Mamas Wissen, und ich weiß, daß das nicht recht von mir ist. Ich kann aber nicht länger leben, wenn ich Ihnen nicht von dem Gefühl sage, das in meinem Herzen entstanden ist. Doch es darf davon vorläufig niemand außer uns beiden wissen. Wie soll ich Ihnen das sagen, was ich Ihnen so gern sagen möchte? Das Papier sagt man, errötet nicht; aber ich versichere Ihnen, das ist nicht wahr, es errötet ebenso, wie ich jetzt über das ganze Gesicht. Lieber Aljoscha, ich liebe Sie! Ich liebe Sie schon von meiner Kindheit an, von Moskau her, als Sie noch gar nicht so ein Mensch waren wie jetzt. Und ich liebe Sie für das ganze Leben. Ich habe Sie mit meinem Herzen auserwählt, um mich mit Ihnen zu vereinen und damit wir im Alter zusammen unser Leben beschließen. Natürlich unter der Bedingung, daß Sie aus dem Kloster austreten. Was unser Alter betrifft, so werden wir so lange warten, wie es vom Gesetz vorgeschrieben ist. Bis zu der Zeit bin ich sicherlich gesund geworden und werde gehen und tanzen können. Darüber ist weiter nichts zu reden. Sehen Sie, wie ich alles bedacht habe? Nur über eines komme ich nicht ins klare: was Sie von mir denken werden, wenn Sie dies lesen. Ich lache immer und treibe Unsinn und habe Sie heute geärgert, doch ich versichere Ihnen, eben, bevor ich zur Feder griff, habe ich vor dem Bild der Muttergottes gebetet. Und auch jetzt bete ich und weine fast.
    Mein Geheimnis ist nun in Ihren Händen. Wenn Sie morgen kommen, werde ich nicht wissen, wie ich Sie ansehen soll. Ach, Alexej Fjodorowitsch, was soll werden, wenn ich mich wie eine Närrin wieder nicht beherrschen kann und wie heute bei Ihrem Anblick loslache? Sie werden mich ja für eine gemeine Spötterin halten und meinem Brief nicht glauben. Und darum, Lieber, flehe ich Sie an: Haben Sie Mitleid mit mir, sehen Sie mir nicht allzu gerade in die Augen, wenn Sie morgen zu uns kommen. Denn wenn ich Ihrem Blick begegne, werde ich vielleicht auf einmal loslachen müssen – und außerdem werden Sie diesen langen Rock anhaben. Schon jetzt überläuft es mich kalt, wenn ich an all das denke. Sehen Sie mich darum, nachdem Sie eingetreten sind, eine Weile gar nicht an, sondern blicken Sie Mama an oder schauen Sie aus dem Fenster!
    Da habe ich Ihnen nun einen Liebesbrief geschrieben, mein Gott, was habe ich getan! Aljoscha, verachten Sie mich nicht! Und wenn ich etwas sehr Schlechtes getan und Sie betrübt habe, so verzeihen Sie mir! Das Geheimnis meines vielleicht für immer verdorbenen Rufes liegt jetzt in Ihren Händen.
    Ich werde heute auf jeden Fall weinen. Auf Wiedersehen, auf ein schreckliches Wiedersehen. Lise.
    P. S. Aljoscha, kommen Sie aber bestimmt, bestimmt, ganz bestimmt! Lise.«
Zweiter Teil
Viertes Buch
Überspanntheiten
1. Vater Ferapont
    Am frühen Morgen, noch vor dem Hellwerden, wurde Aljoscha geweckt. Der Starez war aufgewacht und fühlte sich sehr schwach, wünschte aber doch das Bett mit dem Lehnstuhl zu vertauschen. Er war bei voller Besinnung. Sein Gesicht zeugte zwar von großer Ermüdung, war aber klar und fast freudig und der Blick, heiter, freundlich und einladend. »Vielleicht werde ich nicht einmal den heutigen Tag überleben«, sagte er zu Aljoscha. Dann äußerte er den Wunsch, unverzüglich zu beichten und das Abendmahl zu nehmen. Sein Beichtvater war stets Vater Paissi. Nach dem Vollzug der beiden Sakramente begann die Letzte Ölung. Die Priestermönche versammelten sich, die Zelle füllte sich allmählich mit Einsiedlern. Inzwischen war der Tag angebrochen. Auch aus dem Kloster kamen Mönche. Als die heilige Handlung zu Ende war, wünschte der Starez von allen Abschied zu nehmen und alle zu küssen. Da die Zelle sehr eng war, gingen die zuerst Gekommenen wieder hinaus, um anderen Platz zu machen. Aljoscha stand neben dem Starez, der wieder im Lehnstuhl saß. Er redete und sprach Belehrungen aus, soviel er vermochte; seine Stimme war schwach, aber noch ziemlich fest. »So viele Jahre habe ich euch mit Belehrungen versehen und dabei so viele Jahre laut gesprochen, daß es mir

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