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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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förmlich zur Gewohnheit geworden ist, zu reden und redend zu belehren. Es würde mir fast schwerer fallen zu schweigen als zu reden, liebe Väter und lieber Brüder, sogar bei meiner jetzigen Schwäche«, scherzte er und blickte gerührt auf die Umstehenden. Aljoscha erinnerte sich später an dieses und jenes, was der Starez damals gesagt hatte. Obgleich er deutlich sprach und mit einigermaßen fester Stimme, war seine Rede doch ziemlich zusammenhanglos. Er sprach über vieles; er schien vor dem Tod gern noch sagen und aussprechen zu wollen, womit er im Leben nicht fertig geworden war, und zwar nicht nur der Belehrung wegen, sondern auch weil es ihn offenbar drängte, seine Freude und sein Entzücken mit allen und jedem zu teilen und nochmals sein ganzes Herz auszuschütten.
    »Liebet einander, ihr Väter!« sprach der Starez, jedenfalls soweit sich Aljoscha später dessen entsann. »Liebet das Volk Gottes! Sind wir doch nicht deswegen heiliger als die Weltlichen, weil wir hierherkamen und uns in diesen Wänden einschlossen, im Gegenteil: Jeder, der hierherkommt, hat schon allein dadurch im stille bekannt, daß er schlechter ist als alle Weltlichen, als alle und jeder auf Erden ... Und je länger er in seiner Zelle lebt, um so fühlbarer muß er sich dessen bewußt werden. Andernfalls hätte er gar nicht zu kommen brauchen. Erkennt er aber, daß er nicht nur schlechter ist als alle Weltlichen, sondern auch allen Menschen gegenüber an allem und jedem Schuld trägt, an allen menschlichen Sünden, die von der ganzen Welt und von einzelnen begangen werden, dann erst wird der Zweck unserer Vereinigung erreicht. Denn wisset, ihr Lieben, daß jeder einzelne von uns an allem und jedem auf Erden Schuld trägt, nicht nur, weil er an der allgemeinen Schuld der Welt teilhat, sondern ein jeder einzeln für alle und für jeden Menschen auf dieser Erde. Dieses Bewußtsein ist die Krone für den Lebenswandel des Mönchs, ja eines jeden Menschen auf Erden. Denn die Mönche sind nicht andere Menschen, sondern nur solche, wie alle Menschen auf Erden es sein sollten. Erst dann wird unser Herz erfüllt sein von jener gerührten, unendlichen, allumfassenden Liebe, die keine Sättigung kennt. Dann wird jeder von euch imstande sein, die ganze Welt durch Liebe zu gewinnen und die Sünden der Welt mit seinen Tränen abzuwaschen. Ein jeder höre auf die Stimme seines Herzens, ein jeder beichte sich selbst unermüdlich. Fürchtet euch nicht vor eurer Sünde, auch wenn ihr euch ihrer bewußt geworden seid; genug, wenn Reue vorhanden ist, aber laßt euch nicht einfallen, Gott Bedingungen zu stellen. Wiederum sage ich euch, seid nicht stolz! Seid nicht stolz gegenüber den Geringen, nicht stolz gegenüber den Großen! Hasset nicht, die euch nicht anerkennen, die euch schmähen, beschimpfen, verleumden! Hasset nicht die Atheisten, die falschen Lehrer, die Materialisten, selbst nicht die Schlechten unter ihnen, geschweige die Guten, denn auch unter ihnen sind viele Gute, besonders in unserer Zeit. Gedenket ihrer in eurem Gebet: ›Rette, Herr, alle, die niemand haben, der für sie betet. Rette auch diejenigen, die nicht zu dir beten wollen!‹
    Und fügt sogleich hinzu: ›Nicht in meinem Stolz bitte ich darum, Herr, denn auch ich selbst bin ein schändlicher Mensch, schlimmer als alle und jeder ...‹ Liebet das Volk Gottes, laßt nicht zu, daß Fremdlinge euch die Herde abspenstig machen; denn wenn ihr in Trägheit und geringschätzigem Stolz und vor allem in Eigennutz einschlafet, so werden sie von allen Seiten kommen und euch eure Herde abspenstig machen. Legt dem Volke unermüdlich das Evangelium aus! Wuchert nicht! Liebet nicht Silber und Gold, haltet es nicht in eurem Besitz! Seid gläubig und haltet das Banner fest! Erhebet es hoch!«
    Der Starez sprach jedoch weniger zusammenhängend, als hier nach einer späteren Niederschrift Aljoschas wiedergegeben ist. Mitunter hörte er auf zu reden, als müßte er neue Kraft sammeln, und der Atem versagte ihm; aber er befand sich in einer Art von Begeisterung. Man hörte ihm mit Rührung zu, obgleich sich viele über seine Worte wunderten und manches darin dunkel fanden. Später erinnerten sich alle an diese Worte. Als Aljoscha sich zufällig einen Augenblick entfernte, war er überrascht von der allgemeinen Erregung und Erwartung in der Zelle und um sie herum. Die Erwartung trug bei manchen einen fast unruhigen, bei anderen einen feierlichen Charakter. Alle erwarteten, daß sich sofort nach dem

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