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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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das sagte. Ihre Augen leuchteten, ihr Mund lachte, lachte gutmütig und vergnügt. Aljoscha hatte so einen gutmütigen Gesichtsausdruck von ihr nicht erwartet. Er war ihr bis zum vorgestrigen Tage nur selten begegnet und hatte sich von ihr eine schreckliche Vorstellung gemacht. Vorgestern nun hatte ihn ihr boshafter, heimtückischer Ausfall gegen Katerina Iwanowna zutiefst erschüttert; und so war er jetzt um so mehr erstaunt, sie auf einmal unerwarteterweise so ganz anders zu sehen. Und wie sehr ihn auch sein eigener Kummer bedrückte, schaute er sie doch unwillkürlich mit Interesse an. Auch ihr äußeres Benehmen hatte sich seit dem vorigen Tag völlig zum Guten hin verändert: die Süßlichkeit der Aussprache, die manierierten Bewegungen waren fast vollständig verschwunden, alles an ihr wirkte schlicht und harmlos, ihre Bewegungen waren ungezwungen und zutraulich; nur war sie sehr aufgeregt.
    »Herrgott, was heute aber auch alles passiert, wahrhaftig«, plapperte sie von neuem. »Und warum ich mich über dein Kommen so freue, Aljoscha, weiß ich eigentlich selbst nicht. Wenn du mich danach fragst, weiß ich es nicht.«
    »So, nun weißt du nicht einmal mehr, worüber du dich freust?« sagte Rakitin lächelnd. »Warum hast du mir dann früher immer zugesetzt: ›Bring ihn her, bring ihn her!‹ Du mußt doch eine Absicht dabei gehabt haben.«
    »Früher hatte ich eine Absicht dabei, aber das ist jetzt vorüber, das verträgt sich nicht mit der jetzigen Lage ... Wißt ihr, ich werde euch etwas vorsetzen. Ich bin jetzt großzügig geworden, Rakitka. Aber setz dich doch auch, Rakitka, was stehst du? Oder hast du dich bereits gesetzt? Da kann man unbesorgt sein, mein Rakituschka wird sich schon nicht vergessen. Siehst du, Aljoscha, da sitzt er uns nun gegenüber und fühlt sich gekränkt, weil ich ihn nicht eher als dich aufgefordert habe sich zu setzen. Ja, mein Rakitka ist empfindlich, sehr empfindlich!« sagte Gruschenka lachend. »Sei nicht ärgerlich, Rakitka, heute bin ich großzügig ... Warum sitzt du so traurig da, Aljoschetschka? Hast du etwa Angst vor mir?« Sie blickte ihn mit lustigem Spott an.
    »Er hat Kummer. Die erwartete Beförderung ist ausgeblieben«, sagte Rakitin.
    »Was für eine Beförderung?«
    »Sein Starez hat angefangen zu stinken.«
    »Was heißt das? Du schwatzt irgendwelchen Unsinn, willst irgendwas Schändliches sagen. Sei still, du Dummkopf! Erlaubst du, Aljoscha, daß ich mich auf deinen Schoß setze? Siehst du, so!« Und sie sprang auf, setzte sich ihm lachend auf den Schoß wie ein schmeichelndes Kätzchen und legte den rechten Arm um seinen Hals. »Ich will dich aufheitern, mein frommer Junge! Nein, wirklich, erlaubst du, daß ich auf deinem Schoß sitze? Bist du auch nicht böse darüber? Wenn du befiehlst springe ich sofort wieder herunter.«
    Aljoscha schwieg. Er saß da und wagte sich nicht zu rühren Er hörte ihre Worte. »Wenn du befiehlst, springe ich sofort wieder herunter.« Doch er antwortete nicht, als ob er erstarrt wäre. Aber er empfand etwas gänzlich anderes, als Rakitin jetzt bei ihm erwarten mochte, der von seinem Platz aus lüstern die Szene beobachtete. Der große Kummer seiner Seele übertäubte alle Gefühle, die sich in seinem Herzen hätten regen können, und wenn er sich selbst in diesem Augenblick volle Rechenschaft hätte geben können, hätte er selbst erkannt, daß er jetzt gegen jede Verführung und Versuchung auf das festeste gewappnet war. Doch trotz seines seelischen Zustandes, trotz seines bedrückenden Kummers wunderte er sich unwillkürlich über eine neue, seltsame Empfindung in seinem Herzen: Diese »furchtbare« Frau flößte ihm jetzt nicht mehr die Furcht ein, die ihn früher bei jedem flüchtigen Gedanken an eine Frau befallen hatte; nein, ganz im Gegenteil – diese Frau, die er mehr als alle anderen gefürchtet hatte und die jetzt auf seinem Schoß saß und ihn umarmte, erweckte in ihm plötzlich ein ganz anderes, unerwartetes, eigenartiges Gefühl, das einer ungewöhnlichen, übermächtigen, unschuldigen Anteilnahme für sie, das frei war von Furcht und Schrecken! Das war die Hauptsache und versetzte ihn unwillkürlich in Erstaunen.
    »Na, nun könntet ihr aber aufhören, Unsinn zu schwatzen!«, rief Rakitin. »Laß uns lieber Champagner bringen, das bist du uns schuldig, wie du selber wissen wirst.«
    »Das ist richtig, ich bin es euch schuldig. Ich habe ihm nämlich außer allem anderen auch Champagner versprochen, falls er dich

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