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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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seiner Seele beunruhigt fühlen und dir einen Brief schreiben. Das ist ein zuverlässiges, ein vielfach erprobtes Mittel‹, sagte Stepanida Iljinitschna. Ich habe aber doch meine Zweifel ... Du unser Licht, ist das wahr oder nicht? Und ist es recht, so was zu tun?«
    »Wirf den Gedanken von dir! Du solltest dich schämen, danach überhaupt zu fragen. Wie ist es denn möglich, daß man für einen Lebenden eine Seelenmesse lesen läßt, und noch dazu als leibliche Mutter! Das ist eine ähnlich große Sünde wie Zauberei; nur wegen deiner Unwissenheit kann sie dir verziehen werden. Bete lieber zur Himmelskönigin, der willigen Beschützerin und Helferin, für seine Gesundheit und daß sie dir deinen unrechten Gedanken verzeihen möge. Und dann noch eines, Prochorowna: Entweder kommt dein Sohn bald selbst zurück, oder er schickt einen Brief. Das wisse! Geh und verhalte dich von nun an ruhig! Dein Sohn ist am Leben, sage ich dir.«
    »Du unser Lieber, Gott belohne dich, du unser Wohltäter, der du für uns und unsere Sünden betest!«
    Der Starez hatte in der Menge bereits die glühenden Augen einer abgezehrten, offenbar schwindsüchtigen jungen Bäuerin bemerkt. Schweigend sah sie ihn an, ihre Augen baten um etwas, aber sie schien sich zu fürchten, näher zu kommen.
    »Was führt dich her, meine Liebe?«
    »Erlöse meine Seele, Vater!« sagte sie leise und langsam, fiel auf die Knie und beugte sich bis zu seinen Füßen. »Ich habe gesündigt, Vater. Ich fürchte mich wegen der Sünde.«
    Der Starez setzte sich auf die unterste Stufe, und die Frau näherte sich ihm, ohne sich von den Knien zu erheben.
    »Ich bin das dritte Jahr Witwe«, begann sie fast flüsternd und schien dabei am ganzen Körper zu zittern. »Ich hatte es schwer in der Ehe, er war alt und schlug mich. Dann lag er krank, ich sah ihn an und dachte: Wenn er nun wieder gesund wird und aufsteht, was dann? Und da kam mir dieser Gedanke ...«
    »Warte!« sagte der Starez und brachte sein Ohr ganz dicht an ihre Lippen. Die Frau sprach flüsternd weiter, so daß die anderen kaum ein Wort auffangen konnten. Sie war bald fertig.
    »Das dritte Jahr?« fragte der Starez.
    »Ja, das dritte. In der ersten Zeit dachte ich nicht daran; doch dann wurde ich krank und kränker und verlor meine Ruhe.«
    »Kommst du von weit her?«
    »Fünfhundert Werst.«
    »Hast du es in der Beichte gesagt?«
    »Ja, ich habe es gesagt. Zweimal habe ich es gesagt.«
    »Hat man dich zum Abendmahl zugelassen?«
    »Ja, man hat mich zugelassen. Aber ich habe Angst. Ich fürchte mich vor dem Tod.«
    »Fürchte dich vor nichts und fürchte dich niemals, beunruhige dich nicht! Wenn die Reue in deinem Herzen nicht schwächer wird, so wird Gott dir verzeihen. Auf der ganzen Erde ist keine Sünde, die Gott einem, der aufrichtig bereut, nicht vergibt. Der Mensch kann auch gar keine so große Sünde begehen, daß die unendliche Liebe Gottes durch sie erschöpft würde. Oder kann es eine so große Sünde geben, daß sie über Gottes Liebe hinausgeht? Sorge nur, daß du bereust, ohne Unterlaß. Und vertreibe die Furcht! Glaube, daß Gott dich unausdenkbar liebt, trotz deiner Sünde und in deiner Sünde. Steht doch schon in der Schrift, daß über einen Sünder, der Buße tut, im Himmel mehr Freude ist als über zehn Gerechte. Gehe hin und fürchte dich nicht mehr! Sei nicht erbittert wider die Menschen und zürne nicht wegen erlittener Kränkung! Vergib von ganzem Herzen dem Verstorbenen, was er dir Leides angetan hat, und versöhne dich mit ihm aufrichtig. Wenn du bereust, so liebst du auch. Liebst du aber, so gehörst du schon Gott. Durch Liebe wird alles gutgemacht, alles gerettet. Wenn ich, ein sündiger Mensch wie du, schon über dich gerührt bin und Mitleid empfinde, um wieviel mehr dann erst Gott? Die Liebe ist ein unermeßlicher Schatz, für den man die ganze Welt kaufen kann. Nicht nur seine eigenen, auch fremde Sünden kann man damit loskaufen. Gehe hin und fürchte dich nicht!«
    Er schlug über ihr dreimal das Zeichen des Kreuzes, nahm ein kleines Heiligenbild von seinem Hals und hängte es ihr um. Sie verbeugte sich schweigend vor ihm bis zur Erde. Er erhob sich und schaute heiter eine kräftige Frau an, die einen Säugling auf dem Arm trug.
    »Ich bin aus Wyschegorje, lieber Mann.«
    »Immerhin sechs Werst von hier! Mit dem Kindchen wird dir der Weg nicht leicht geworden sein. Was wünschst du?«
    »Ich bin nur gekommen, um dich zu sehen. Ich bin schon früher manchmal, hier gewesen;

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