Die Brüder Karamasow
sehr in ihrer Rolle auf, daß sie wirklich vor Aufregung zittern und weinen, obwohl sie sich im gleichen Augenblick (oder eine Sekunde später) zuflüstern könnten: Du lügst ja, du schamloser alter Kerl! Du bist ja auch jetzt ein Komödiant, trotz deines »heiligen« Zorns in diesem »heiligen« Augenblick!
Dmitri Fjodorowitsch zog furchterregend die Brauen zusammen und blickte seinen Vater mit unendlicher Verachtung an.
»Ich glaubte«, sagte er leise und beherrscht, »ich würde mit dem Engel meiner Seele, mit meiner Braut, in die Heimat zurückkehren, um ihn im Alter zu pflegen – aber ich sehe nur einen liederlichen Wüstling und gemeinen Komödianten!«
»Zum Duell!« brüllte der Alte wieder. Er bekam kaum Luft, und bei jedem Wort spritzte der Speichel. »Und Sie, Pjotr Alexandrowitsch Miussow, sollen wissen, daß es vielleicht in Ihrer ganzen Verwandtschaft keine ehrenhaftere Frau gibt und je gegeben hat als dieses ›Geschöpf‹, wie Sie diese Dame zu nennen wagten! Und Sie, Dmitri Fjodorowitsch, haben für dieses ›Geschöpf‹ Ihre Braut hingegeben. Sie haben damit selbst eingestanden, daß Ihre Braut nicht wert ist, ihr die Schuhriemen zu lösen. Ja, so ein ›Geschöpf‹ ist das!«
»Es ist eine Schmach!« entfuhr es unwillkürlich dem Priestermönch Jossif.
»Eine Schmach und Schande!« rief mit jugendlicher, vor Aufregung zitternder Stimme Kalganow, der die ganze Zeit geschwiegen hatte; er war dunkelrot geworden.
»Wozu lebt ein solcher Mensch!« stieß Dmitri Fjodorowitsch dumpf und außer sich vor Wut hervor; dabei zog er die Schultern so sehr nach oben, daß er wie verkrüppelt aussah. »Soll man ihm noch erlauben, die Erde durch seine Person zu entehren?« Er deutete mit der Hand auf seinen Vater und ließ seinen Blick in die Runde geben. Er hatte langsam und gemessen gesprochen.
»Hören Sie diesen Vatermörder, Sie Mönche!« schrie Fjodor Pawlowitsch, auf Vater Jossif zustürzend. »Da haben Sie die Antwort auf Ihre Meinung: ›Es ist eine Schmach!‹ Was ist eine Schmach? Dieses ›Geschöpf‹ diese liederliche Frauensperson ist vielleicht heiliger als Sie selbst, meine Herren Priestermönche, die Sie hier Ihrem Seelenheil leben! Durch schlechten Umgang wurde sie vielleicht in der Jugend verleitet; aber sie hat viel geliebt – und einer, die viel liebte, hat Christus vergeben.«
»Christus hat nicht solcher Liebe wegen vergeben!« rief der sanfte Vater Jossif ungeduldig und heftig.
»Doch! Um solcher Liebe, gerade um solcher Liebe willen, meine Herren Mönche! Sie suchen durch Kohlessen Ihre Seelen zu retten und halten sich für Gerechte! Sie essen Gründlinge, täglich einen, und glauben mit den Gründlingen Gottes Gnade zu gewinnen!«
»Das ist unerträglich!« rief es von allen Seiten der Zelle.
Die ungehörige Szene fand ein unerwartetes Ende. Auf einmal erhob sich der Starez. Aljoscha, der aus Angst um ihn und die anderen beinahe den Kopf verloren hatte, fand gerade noch Zeit, ihn am Arm zu stützen. Der Starez ging auf Dmitri Fjodorowitsch zu und ließ sich, als er ganz nahe vor ihm stand, auf die Knie nieder. Aljoscha glaubte, es geschähe aus Schwäche, aber das war nicht der Fall. Nachdem der Starez niedergekniet war, verbeugte er sich tief und mit voller Absicht vor Dmitri Fjodorowitsch, wobei seine Stirn sogar den Boden berührte. Aljoscha war so erstaunt, daß er nicht einmal rechtzeitig zugriff, als sich der Starez wieder erhob. Ein schwaches, kaum wahrnehmbares Lächeln schimmerte auf dessen Lippen.
»Verzeihen Sie! Verzeihen Sie alle!« sagte er und verbeugte sich vor allen Gästen.
Dmitri Fjodorowitsch stand einen Augenblick wie vom Donner gerührt, vor ihm eine tiefe Verbeugung, was sollte das heißen? Dann rief er: »O Gott!«, verbarg das Gesicht in den Händen und stützte aus dem Zimmer. Ihm nach drängten auch alle anderen Gäste, ohne sich in der Verwirrung vom Hausherrn zu verabschieden und sich vor ihm zu verbeugen. Nur die Priestermönche traten an ihn heran und ließen sich segnen.
»Was wollte er sagen mit dieser tiefen Verbeugung? Es war wohl eine symbolische Handlung?« Mit diesen Worten versuchte Fjodor Pawlowitsch, plötzlich merkwürdig friedlich, ein Gespräch anzuknüpfen, wagte aber nicht, sich direkt an jemand zu wenden. In diesem Augenblick hatten sie die Mauer erreicht und verließen die Einsiedelei.
»Ich verstehe mich nicht auf Irrenhäuser und Irre«, antwortete Miussow erbost. »Aber ich verzichte nunmehr auf Ihre Gesellschaft,
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